Zusammenfassung
- Digitale Agenden spielen zunehmend eine zentrale Rolle in der nationalen Politik und Planung, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen.
- Unsere Untersuchung der Politik und Strategien afrikanischer Staaten ist die bisher umfassendste, und sie zeigt, dass die meisten Staaten eine digitale Agenda niedergelegt haben. Sie findet sich in Gesetzestexten, als Beschlüsse über die digitale Strategie, als Teil des nationalen Entwicklungsplans oder in Aspekten anderer politischer Vorhaben.
- Die meisten dieser Planungen betreffen die Nutzung digitaler Technologien für die wirtschaftliche Entwicklung, etwa bei der Aus- und Fortbildung der Bevölkerung. Sie streben auch die Bereitstellung effizienterer Dienstleistungen an und versuchen, die Vorteile von E-Government zu nutzen, wo sie durch digitale Technologie verfügbar geworden sind. Mehrere Staaten verfügen auch über Strategien zur Cybersicherheit. Wenn man sie zusammen betrachtet, lassen sie eine sich herausbildende afrikanische digitale Agenda erkennen.
- Afrikas digitale Landschaft wird von unterschiedlichen intern und extern Beteiligten geprägt. Während China zu einem wesentlichen Ausrüster für Afrikas digitale Infrastruktur geworden ist, verfügt die Europäische Union als insgesamt größter Geber über beträchtlichen Einfluss auf die Gestaltung des regulatorischen Rahmens bei der Digitalisierung des Kontinents.
- Es ist wichtig sicherzustellen, dass externe Partnerschaften an afrikanische Kontexte in einem von Afrika gesteuerten Prozess angepasst werden. Dazu gehören die Einbindung afrikanischer Vertreter aus der Privatwirtschaft wie aus aus der Zivilgesellschaft.
- Ebenso kommt es darauf an sicherzustellen, dass Politik und Strategien nicht unüberlegt aus anderen Kontexten kopiert werden. Nationale und regionale Politiker:innen sollten Kreativität und ihr Urteilsvermögen nutzen, damit sie die Spezifika der afrikanischen Bedingungen bei der Formulierung ihrer digitalen Politik berücksichtigen.
Afrikas digitale Agenda
Nur wenige Staaten Afrikas haben bisher keine politischen Planungen oder Strategien für die Digitalisierung entwickelt. Viele haben ihre digitale Agenda in ihren nationalen Entwicklungsplänen festgelegt: Gambia, Namibia und Gabun haben zwar keine separate Digitalisierungsstrategie, formulieren aber ihre Zielvorstellungen zu diesem Thema in ihren nationalen Entwicklungsplänen. Andere, wie Mauritius, Ägypten, Kenia und Senegal, haben ihre Absichten explizit in recht detaillierten Dokumenten festgehalten. Für einige andere Staaten finden sich Elemente einer digitalen Strategie in einzelnen Regierungsdokumenten und Initiativen verstreut. Ghana und Sambia gehören in diese Kategorie. Einige haben sie in Gesetzen ausformuliert - Algerien zum Beispiel, das u. a. ein Gesetz zum E-Commerce hat.
Ägypten spielt eine Sonderrolle als einziger afrikanischer Staat mit einer nationalen Strategie zu künstlicher Intelligenz.
Unser Analyse zeigt, dass bestimmte Themen für Regierungen in Afrika von besonderer Bedeutung sind. Sobald man sie zusammen betrachtet, entstehen die Umrisse einer sich bildenden digitalen Agenda für Afrika und einer Vision, die die Staaten Afrikas in ihrer Herangehensweise an den digitalen Bereich aus einer politischen Perspektive teilen. Dabei geht es um:
- digitale Infrastruktur
- E-Government
- Cybersicherheit
- E-Commerce
- die Besteuerung digitaler Dienstleistungen
Die Trends in den digitalen Agenden der Staaten Afrikas stimmen mit der umfassenden Digitalen Transformationsagenda für Afrika der Kommission der Afrikanischen Union überein. Das noch nicht ausgehandelte E-Commerce-Protokoll des Freihandelsabkommen für den afrikanischen Kontinent (AfCTA) könnte Afrika viele Chancen eröffnen. Nicht nur würde es regeln, wie der innerafrikanische Handel mit digitalen Dienstleistungen gestaltet wäre, sondern es verspricht ein besseres Verständnis der afrikanischen Position beim grenzüberschreitenden Handel mit digitalen Dienstleistungen. Dies könnte auch die weltweiten Bemühungen um eine Besteuerung digitaler Dienstleistungen unterstützen.
Zusammenarbeit mit der EU
Auch die Europäische Union hat für sich eine Strategie für die digitale Transformation entwickelt. Dabei geht es jedoch nicht nur um heimische Politik, denn die EU macht kein Hehl aus ihrem Bestreben, mit der Planung der eigenen „digitalen Zukunft“ eine globale Vorreiterin zu sein. Die EU hat drei Gebiete vorgegeben, denen besondere Aufmerksamkeit gewidmet wird. So will sie ein Vorbild für die digitale Wirtschaft sein und sich entwickelnde Ökonomien bei der Digitalisierung und der Entwicklung von Standards im digitalen Bereich unterstützen. Sie sollen, so die Absicht, dann international übernommen werden. Daher argumentiert die Europäische Kommission, dass „in einer Strategie für die globale Zusammenarbeit im digitalen Bereich ein europäischer Ansatz für den digitalen Wandel vorgeschlagen wird … und diese Werte auf die internationale Bühne projiziert werden, und wir mit unseren Partnern … in Afrika und anderen Teilen der Welt … zusammenarbeiten.“
Es ist hierbei entscheidend, die Rolle von Entwicklungszusammenarbeit als Mittel der Außenpolitik zu verstehen, denn die Vorhaben der EU werden durch klassische Instrumente der Kooperation umgesetzt, also durch bilaterale und kontinentweite Kooperation. Bilateral hat die EU de facto den afrikanischen Mitgliedsstaaten der Gruppe der Afrika-, Karibik- und Pazifik-Staaten (AKP) eine gesetzliche Verpflichtung auferlegt, im Kontext des neu ausgehandelten Abkommens zwischen der EU und den AKP-Staaten der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) zu entsprechen. Dies lässt sich beispielsweise daran erkennen, dass Definitionen aus dem Text der DSGVO in das Abkommen der EU mit den AKP-Staaten übernommen worden sind.
Auf den gesamten Kontinent bezogen hat die EU mehrere Initiativen auf den Weg gebracht und im Rahmen der Partnerschaft der EU mit der Afrikanischen Union (AU) vorgestellt. Dies trifft zum Beispiel für die sogenannte Afrikanisch-europäische Partnerschaft für Digitalwirtschaft (EU-AU DETF) zu. Zwar sind die gesetzlichen Implikationen kontinentweiter Initiativen nur minimal, wenn man sie mit den bilateral ausgehandelten vergleicht, aber das Vermögen der EU, ihre Ideen durchzusetzen, verdeutlicht ihre Fähigkeit, Nicht-EU-Staaten dazu zu bringen, ihrer Politik zu folgen. Im Falle Afrikas könnte dies aber abträglich sein. So sind zum Beispiel Fragen, ob die Digitalwirtschaft betreffende Regeln einen Einfluss auf das Freihandelsabkommen AfCTA haben, noch unbeantwortet, da einige seiner Aspekte, vor allem das E-Commerce-Protokoll, noch zwischen den afrikanischen Unterhändler:innen diskutiert werden. Außerdem wird die Einrichtung der Infrastruktur zur Durchsetzung der gesetzlichen Verpflichtungen bedeutende sowohl finanzielle als auch gesetzliche Anstrengungen der Einzelstaaten erfordern.
Schlussfolgerungen und politische Fragen zur weiteren Erwägung
Wenn Afrika Partnerschaften mit anderen Staaten für den Digitalbereich erwägt, muss der Prozess der Digitalisierung aus den folgenden Gründen unter afrikanischer Kontrolle bleiben:
- Die Erfolgschancen sind eher gesichert, wenn Regulierungen und Ziele innerhalb spezifischer Kontexte entwickelt werden.
- Nur so gibt es eine Garantie, dass Regulierungen und Ziele nicht zurückgewiesen werden, da deren Erarbeitung unter Kontrolle der afrikanischen Beteiligten erfolgte und ihre Zielvorstellungen widerspiegelte.
- Eine afrikanischen Führung bei der Ausgestaltung ihrer eigenen digitalen Landschaft wird eher zu Innovation führen, da von außen übernommene Regulierungen die lokale Innovation ausbremsen können.
Die Staaten Afrikas machen beträchtliche Fortschritte bei der Entwicklung ihrer Infrastruktur und der Ausarbeitung von Regulierungen, aber deren Ausmaß und Gestaltungstiefe muss noch weiter an die zukünftigen Zielvorstellungen des Kontinents angepasst werden. Da eine Binnenwirtschaft sich nicht mehr als eine Insel in einer digitalen Welt begreifen kann, ist in der Tat ein kontinentweites Herangehen erforderlich. Die wesentlichen Vorteile einer solchen Herangehensweise sind u. a.:
- Schonung von Ressourcen: Das Bemühen des Kontinents, durch das Freihandelsabkommen AfCTA zusammenzuwachsen, erfolgt in einer zunehmend digitalen Welt. Wenn es möglich ist, die digitalen Agenden als Teil der Verhandlungen des AfCTA in Übereinstimmung zu bringen, lassen sich Kosten sparen, die unweigerlich entstehen würden, sollte das Thema der Zukunft überlassen bleiben. Dies würde es dem Kontinent erleichtern, die Vorteile des AfCTAs auszunutzen, weil es ermöglicht, die Infrastruktur (z. B. mit Datenverarbeitungszentren) an regionalen Knoten zu bündeln.
- Anreiz für Investitionen: Da Unternehmen sich immer mehr auf regionale Märkte fokussieren, um mit höheren Stückzahlen zu operieren, kann sich der Kontinent als ein attraktiveres Investitionsgebiet präsentieren, wenn er seine digitalen Regulierungen harmonisiert hat.
- Gemeinsame Herangehensweise an Digitalbesteuerung: Wenn afrikanische Staaten finanziell von der Digitalwirtschaft profitieren wollen, wird es entscheidend darauf ankommen, dass sie über gemeinsame Standards und Verfahren für die Besteuerung digitaler Dienstleistungen verfügen. Auf diese Weise wird auch ein Unterbietungswettbewerb verhindert, vor allem kann sich dabei eine afrikanische Position zu Digitalsteuern herausbilden - nachdem die der G7 bereits vorliegt.
- Schutz von Menschenrechten: Ein einheitlicher Standard auf dem Kontinent zur Einhaltung der Menschenrechte wäre ein stärkeres Werkzeug, um sowohl nationale Regierungen als auch ausländische Akteure zur Rechenschaft zu ziehen.