KI in Afrika: Zentrale Fragestellungen und politische Erwägungen für die Zukunft des Kontinents

Damit lokale KI-Kapazitäten zuallererst lokalen Ökonomien und Ökosystemen zugutekommen, braucht es KI-Strategien, die auf der digitalen Agenda der jeweiligen Staaten beruhen und den Aufbau inklusiver IT-, Daten- und Computing-Infrastrukturen sowie entsprechender Kompetenzen priorisieren.

KI in Afrika: Zentrale Fragestellungen und politische Erwägungen für die Zukunft des Kontinents
Unter Rachel Adams
Published on Mai 30, 2022
Zusammenfassung der wichtigsten Punkte
  • Afrika spielt eine zentrale Rolle in der globalen KI-Lieferkette, besonders in der frühen Produktionsphase. Länder wie Ägypten, Ruanda und Mauritius haben bereits umfassende KI-Strategien veröffentlicht.
  • Dennoch dominieren ausländische KI-Unternehmen in der Region und bringen technologische Produkte und Lösungen hervor, die womöglich nicht mit lokalen Entwicklungsprioritäten kompatibel sind.
  • Damit lokale KI-Kapazitäten zuallererst lokalen Ökonomien und Ökosystemen zugutekommen, braucht es KI-Strategien, die auf der digitalen Agenda der jeweiligen Staaten beruhen und den Aufbau inklusiver IT-, Daten- und Computing-Infrastrukturen sowie entsprechender Kompetenzen priorisieren.
  • Am Beispiel der nationalen KI-Strategie Ägyptens lässt sich ersehen, dass ungünstige Absprachen mit ausländischen Staaten vermieden werden sollten, die KI-Strukturen unterstützen, die sich nicht mit den eigenen inklusiven Entwicklungsprioritäten vereinbaren lassen.
  • Angesichts der bereits existierenden geschlechtsspezifischen digitalen Kluft auf dem Kontinent, den aktuellen Rückschritten in Sachen Gleichstellung sowie dem Voranschreiten datenbasierter Wirtschaftszweige im Zuge der Pandemie gilt es die Auswirkungen von KI auf die Gleichheit der Geschlechter in besonderer Weise zu berücksichtigen.
  • Nicht zuletzt sollten die EU ebenso wie die afrikanischen Länder Wege finden, wie sich eine koordinierte Herangehensweise an KI-Governance formulieren lässt, die auf einer gemeinsamen Verpflichtung zum Schutz von Grundrechten und -freiheiten basiert.

Einführung

Künstliche Intelligenz (KI) ist weltweit eine wichtige politische Herausforderung. 2017 veröffentlichte Price Waterhouse Coopers (PWC) seinen zukunftsweisenden Bericht "Sizing the Prize“, in dem das Unternehmen den Beitrag von KI zur Weltwirtschaft im Jahr 2030 auf 15,7 Billionen US-Dollar schätzte. Bis heute mehrt der Einsatz von KI Wohlstand und Macht auf äußerst ungleiche Weise. In PWCs Berechnung der wirtschaftlichen Bedeutung der KI – in der Abbildung unten zu sehen – fällt das entsprechende Wachstum auf dem afrikanischen Kontinent so klein aus, dass er nicht darstellbar ist. Da die KI-bezogene Produktion jedoch weltweit stattfindet, spielt Afrika bereits jetzt eine wichtige Rolle bei der Entwicklung von KI-Systemen, die natürlicher Ressourcen, Arbeitskräfte und Kompetenzen in der Region bedürfen. Doch obwohl sich die KI-Lieferkette in alle Welt erstreckt, kommen diese Technologien nicht der afrikanischen Region zugute, sondern den Big-Tech-Konzernen im globalen Norden und in China sowie all jenen, die sich die alltäglichen Bequemlichkeiten leisten können, die KI bietet, wie etwa Amazons Alexa oder intelligente Fahrzeuge.

Abbildung 1: Welche Regionen am meisten von KI profitieren werden

Gleichzeitig bietet Afrika jedoch eine einzigartige Umgebung, in der KI-Technologien gut dafür eingesetzt werden könnten, lokales sozioökonomisches Wachstum zu fördern. Von besonderem Interesse könnten die potenzielle Fähigkeit, Entwicklungsphasen für technologische Infrastruktur zu überspringen, die mit der Dritten Industriellen Revolution assoziiert wird, sowie die wachsende Zahl dynamischer junger Menschen sein, die Unternehmergeist mitbringen und mehr als bereit sind, sich an neue Formen digitaler Arbeit anzupassen. Afrikanische Regierungen sollten ihren Fokus darauf legen, KI-Lösungen zu implementieren, mit denen sich nationale Entwicklungsprioritäten fördern lassen und die zu florierenden, inklusiven Gesellschaften beitragen.

Nach und nach entstehen auch in Afrika politische Konzepte zum Thema künstliche Intelligenz. Ägypten, Mauritius und Ruanda sind die ersten drei Länder auf dem Kontinent, die eine nationale KI-Strategie veröffentlicht haben. Derzeit nehmen ausländische Technologien und KI-Unternehmen eine dominierende Stellung in Afrika ein. Zudem unterstützen deren Aktivitäten nicht unbedingt die Umsetzung lokaler Entwicklungsprioritäten (wie jene der Agenda 2030 mit ihren Zielen für nachhaltige Entwicklung) oder, schlimmer noch, sie verschärfen den Ausschluss und die Unterdrückung bestimmter Gruppen, insbesondere von Frauen. Politische Entscheidungsträger*innen in Afrika müssen den Aufbau lokaler KI-Kapazitäten und -Fähigkeiten priorisieren, die helfen können, inklusives Wirtschaftswachstum und eine soziale Transformation voranzutreiben. Und für eine solche Priorisierung bedarf es politischer KI-Strategien, die auf der digitalen Agenda der jeweiligen Staaten beruhen und deren Fokus auf einem gleichberechtigten Zugang zu IT-, Daten- und Computing-Infrastrukturen liegt.

In diesem Kurzdossier wird künstliche Intelligenz sehr allgemein definiert, um den gesamten KI-Lebenszyklus und die sich daraus ergebenden Vor- und Nachteile erfassen zu können. Der KI-Lebenszyklus beginnt bei den Rohstoffen und Arbeitskräften, die für den Bau der Infrastruktur und Datensysteme erforderlich sind, mit denen KI produziert wird – und setzt sich über die Bereiche Design und Entwicklung bis hin zur Markteinführung fort. Schließlich endet der Zyklus damit, wie die Technologie in der Gesellschaft aufgenommen wird. KI-Technologien können sowohl Systeme sein, die auf maschinellem Lernen basieren, als auch Technologien, die generell datenbasiert sind, wie beispielsweise jene, die für die digitale Identifikation und in biometrischen Programmen zum Einsatz kommen.

Dieses Kurzdossier besteht aus drei Teilen, die auf verschiedene Fragestellungen eingehen.

Teil 1 untersucht sechs zentrale KI-bezogene Themen (digitale Identifizierung und biometrische Daten, Gesichtserkennungssysteme, soziale Medien und Löschung von Inhalten, Click Work, Gig Economy sowie die digitale Manipulation durch ausländische Staaten) und soll folgende Fragen beantworten:

  • Welche Rolle spielt der afrikanische Kontinent derzeit in KI-Lebenszyklen und -Lieferketten?
  • Welche Problemstellungen ergeben sich insbesondere für Inklusion und lokale Entwicklung, für die es politischer Konzepte auf nationaler Ebene bedarf?

Teil 2 bietet einen Überblick über die bislang in Afrika veröffentlichten KI-Strategien sowie über sich anbahnende Debatten, insoweit sie sich auf die Region beziehen, und soll folgende Fragestellungen beantworten:

  • Welche Prioritäten werden in den neu entstehenden KI-Strategien in Afrika sowie in verwandten Dokumenten gesetzt?
  • Welche Rolle spielen dabei EU-Richtlinien zum Thema KI?

Teil 3 enthält schließlich Empfehlungen für politische Entscheidungsträger*innen in Afrika, damit diese KI-Systeme einsetzen können, die die lokale Ebene begünstigen. Hier geht es um folgende Frage:

  • Welche zentralen Punkte muss die Politik in Afrika berücksichtigen, wenn es um die Entwicklung lokaler, nationaler und regionaler KI-Strategien geht?

KI in Afrika: Neue Technologien und Fragestellungen

KI-basierte Systeme sind überall auf dem Kontinent zu finden. In Kenia etwa werden lokal entworfene KI-Lösungen entwickelt, um Landwirt*innen bei der Beschaffung landwirtschaftlicher Geräte beiseite zu stehen oder um Entscheidungen hinsichtlich des optimalen Zeitpunkts zum Aussäen oder Ernten bestimmter Sorten zu treffen. Wie in vielen anderen Städten in Afrika kommen auch in Lagos, Nigeria, stetig wachsende Gemeinschaften junger Datenwissenschaftler*innen zusammen, um ihr Wissen rund um das maschinelle Lernen zu erweitern und an neuen KI-basierten Technologien und Projekten zu arbeiten. Jedes Jahr findet die „Deep Learning Indaba“-Konferenz statt, die darauf ausgerichtet ist, sowohl neue Talente als auch Führungskräfte in den Bereichen KI und maschinelles Lernen für ganz Afrika zu fördern. In der folgenden Abbildung finden sich einige Beispiele für KI-Anwendungen auf dem Kontinent:

Abbildung 2: KI-Gründerszene in Afrika

KI-Technologien stellen jedoch auch potenzielle und ganz reale Bedrohungen für Gesellschaften dar, in denen sie entworfen und produziert oder getestet und zum Einsatz gebracht werden. In diesem Teil soll es um einige der Herausforderungen gehen, denen Afrika in folgenden sechs Bereichen gegenübersteht:

  1. Digitale Identifizierung und biometrische Daten
  2. Gesichtserkennungssysteme
  3. Soziale Medien und Löschung von Inhalten
  4. Click work
  5. Gig economies
  6. Manipulation durch ausländische Staaten

Nach einem Abriss über diese Herausforderungen soll es um die Rolle ausländischer Regierungen und Unternehmen beim Einsatz von KI in Afrika gehen.

Mit KI verbundene Herausforderungen in Afrika
Digitale Identifizierung und biometrische Daten

Immer häufiger setzen sowohl Behörden als auch Unternehmen in Afrika Systeme zur digitalen Identifizierung ein, die zudem biometrische Technologien umfassen, mit denen Gesichtsmerkmale, Fingerabdrücke oder Iris-Scans erkannt werden können. Hauptsächlich werden zwei Gründe für die Einführung dieser Technologien ins Feld geführt. Zum einen sollen sie Daten zentralisieren, eine bessere Abstimmung zwischen Behörden erleichtern und Sozialbetrug verhindern, und zum anderen sollen sie dazu dienen, Konsument*innen vor Identitätsdiebstahl zu schützen.

In Namibia führt der größte Internet- und Telekommunikationsanbieter des Landes, MTC, derzeit ein neues KI-basiertes, digitales Identifizierungssystem ein, um den Kundenzugang zu seinen Diensten zu erleichtern. Einmal eingeführt, wird das System enorme Mengen an personenbezogenen Daten – Gesichtsdaten, Fingerabdrücke oder andere – erfassen und speichern. Da die Dienste in diesem Fall von einem Telekommunikationsanbieter angeboten werden, könnten die erfassten Daten mit anderen sensiblen Daten, wie etwa dem Standort, verknüpft werden. Zurzeit wird das System Kund*innen auf freiwilliger Basis bereitgestellt. Darüber, wie die erfassten Daten geschützt werden oder wer darauf Zugriff haben wird, liegen jedoch nur wenig Informationen vor

In South Africa, a rather more problematic example of an AI-driven digital ID system was deployed in providing access to social grants for grant recipients. An estimated 18 million South Africans receive social grants, providing sorely needed social security for the country’s most vulnerable. In 2012, the national South African Social Security Agency (SASSA) contracted the company Cash Paymaster Services (CPS) to distribute social grants to beneficiaries through a digital ID system, which was later to encompass more advanced AI analytics. Net1, CPS’s parent company, had access to the data of all 18 million or so beneficiaries and used this data to develop targeted and predatory financial offers to these people. Given the relationship between Net1 and CPS, Net1 was able to deduct the loan repayments directly from the beneficiaries’ grant payments, resulting in individuals receiving little to no grant payment each month. The issue, heard over a series of court cases, demonstrated the unethical sharing of personal data of the country’s most vulnerable and South African communities’ critical lack of awareness of digital and information rights

In Südafrika wurde eine noch problematischere Version eines KI-basierten Identifizierungssystems eingeführt, mit dem Leistungsempfänger*innen ihre Sozialleistungen abrufen sollten. Rund 18 Millionen Menschen in Südafrika erhalten Sozialleistungen, die für die ärmsten Bevölkerungsgruppen eine unabdingbare soziale Absicherung darstellen. 2012 beauftragte die nationale Behörde für soziale Absicherung in Südafrika SASSA (South African Social Security Agency) das Unternehmen Cash Paymaster Services (CPS) damit, die Auszahlung von Sozialleistungen an die Empfänger*innen durch ein digitales Identifizierungssystem abzuwickeln, das zu einem späteren Zeitpunkt fortgeschrittenere KI-Analysen ermöglichen sollte. Net1, die Muttergesellschaft von CPS, hatte Zugang zu den Daten der rund 18 Millionen Empfänger*innen und nutzte diese Informationen, um ihnen individualisierte und ruinöse Finanzangebote unterzujubeln. Aufgrund der Beziehung zwischen CPS und seinem Mutterkonzern war Net1 in der Lage, die Kreditrückzahlungen direkt von den Sozialleistungsbeiträgen abzuziehen, wodurch sich die monatliche Auszahlung für manche Personen auf null reduzierte. Dieser Fall, der in mehreren Gerichtsprozessen abgehandelt wurde, belegt, wie personenbezogene Daten der ärmsten Bevölkerungsgruppen in Südafrika auf unethische Weise weitergegeben wurden, ebenso wie die umfassende Unkenntnis südafrikanischer Gemeinschaften hinsichtlich Datenschutz und Informationsrechten.

Gesichtserkennungssysteme

Gesichtserkennung, ein anderes KI-basiertes biometrisches Verfahren, ist eine umstrittene Technik, mit der sich Individuen aufgrund zuvor gespeicherter Gesichtsmerkmale identifizieren lassen. Sie wird verstärkt im Rahmen der weiter oben beschriebenen digitalen Identifizierungssysteme sowie für biometrische Systeme genutzt. Erst kürzlich schaffte Meta, der Mutterkonzern von Facebook, Instagram und WhatsApp, öffentlichkeitswirksam die Nutzung von Gesichtserkennung auf seinen Plattformen ab. Grund hierfür waren Schwachstellen in der Software, die sich besonders für Frauen, divers-geschlechtliche Menschen sowie nicht weiße Bevölkerungsgruppen als problematisch und umfassend erwiesen haben. Die Nutzung von Gesichtserkennungssystemen in afrikanischen Städten von Kampala bis Johannesburg bringt eine ganze Reihe von Problemen mit sich: Neben ganz allgemein drängenden datenschutz- und menschenrechtlichen Fragestellungen in Verbindung mit Gesichtserkennung ist das besonders dann der Fall, wenn die entsprechenden Technologien anderswo entwickelt wurden und nicht mit lokalen Gesichtsdaten trainiert wurden. In Südafrika hat Vumacam, ein Unternehmen, das mit einem in Dänemark entwickelten System zur Gesichtserkennung arbeitet, ein umfassendes Netzwerk an Überwachungskameras installiert, das darauf ausgerichtet ist, verdächtiges Verhalten zu erkennen. Diese Art von Technologie hat erwiesenermaßen Probleme damit, Gesichter afrikanischer Personen zu erkennen, und stellt eine drastische Einschränkung von Menschenrechten dar: der Bewegungs- und Versammlungsfreiheit sowie des Rechts auf gleiche und faire Behandlung. Ihre Nutzung in einem Land mit einer derart rassistisch geprägten Geschichte wie Südafrika ist mit hohen Risiken behaftet und widerspricht der demokratischen Vision des Landes einer transformierten und gleichberechtigten Gesellschaft. Auch in Uganda wurden KI-basierte Gesichtserkennungssysteme von Huawei eingesetzt, um bei den Wahlen von 2020 Unterstützer*innen des Oppositionsführers Bobi Wine zu identifizieren, zu verfolgen und zu verhaften.

Soziale Medien und Löschung von Inhalten

Ausländische Big-Tech-Konzerne, die derzeit den afrikanischen Markt dominieren, hindern potenzielle Mitbewerber daran, in den Markt einzutreten, indem sie den Vorteil für sich nutzen, zuerst da gewesen zu sein. Doch nicht nur das: Die wirtschaftliche Macht solcher Unternehmen, die ausländischen Investitionen, die sie mobilisieren können (anhand des Beispiels der Niederlassung von Amazon Web Services (AWS) in Kapstadt deutlich zu sehen), sowie ihre Umgehung inländischer Regulierung können die Fähigkeit von Regierungen, die Rechte ihrer Bürger*innen sowie aller anderen Menschen, die sich in ihren Staatsgrenzen aufhalten, insgesamt deutlich beeinträchtigen.

Social media companies, which use AI to filter user content and detect and takedown inflammatory posts, are a good example of where domestic regulation across the world has not always been successful in holding such companies to account for harms caused as a result of their algorithmic decision making. Indeed, social media has a profound presence in many parts of Africa, where it is estimated that over 95 million people across the continent connect via Facebook each month. And, during the Ugandan elections of 2020, Twitter was the key platform through which Bobi Wine connected to his constituents and supporters. In the same year, the Nigerian government came under fire from the international community for banning Twitter following the social media company’s takedown of a post from the official presidential Twitter account of Nigerian President Muhammadu Buhari. The takedown practices of social media companies tend, however, to provide most coverage in Europe and North America, and the staff and protocols for African countries are thin on the ground, with limited local expertise and language skills. In writing about the episode, Nigerian journalist, Adaobi Tricia Nwaubani, notes that, despite any authoritarianism of the Nigerian government in banning Twitter, ‘the US-owned, private firm appeared to be interfering in the internal affairs of a sovereign African state without enough background knowledge to understand the consequences of its actions

Anhand von Social-Media-Firmen, die mithilfe von KI nutzergenerierte Inhalte filtern, Hassrede entdecken und entsprechende Posts löschen, lässt sich gut zeigen, dass es einigen Ländern nicht gelungen ist, derartige Unternehmen mit entsprechenden Gesetzen für Schäden zur Rechenschaft zu ziehen, die auf ihre algorithmische Entscheidungsfindung zurückgehen. Soziale Medien sind in vielen Teilen Afrikas allgegenwärtig. Geschätzt treten jeden Monat mehr als 95 Millionen Menschen auf dem Kontinent über Facebook miteinander in Kontakt. Während der Wahlen in Uganda im Jahr 2020 war Twitter die wichtigste Plattform, über die Bobi Wine mit seiner Wählerschaft und seinen Anhänger*innen in Verbindung stand. Im selben Jahr stieß die nigerianische Regierung auf heftige Kritik aus der internationalen Gemeinschaft, als sie ein Verbot von Twitter erließ, nachdem das Social-Media-Unternehmen einen Post des offiziellen Twitter-Accounts des nigerianischen Präsidenten Muhammadu Buhari gelöscht hatte. Die Löschpraktiken von Social-Media-Unternehmen kommen allerdings größtenteils in Europa und Nordamerika zur Anwendung, da für Afrika weder ausreichend Personal noch Mittel zur Verfügung stehen. Zudem mangelt es an lokalem Wissen und entsprechenden Sprachfähigkeiten. Entsprechend urteilt die nigerianische Journalistin Adaobi Tricia Nwaubani über diesen Fall, dass jenseits der autoritären Praxis der nigerianischen Regierung beim Twitter-Verbot „das private US-Unternehmen sich in die inneren Angelegenheiten eines souveränen afrikanischen Staates einzumischen schien, ohne über ausreichend Hintergrundwissen zu verfügen, um die Folgen seines Handels abschätzen zu können“. 

Click Work

Dass KI global so erfolgreich ist, geht auf die fortschreitende Digitalisierung und wachsende Bedeutung von Daten weltweit zurück. Eine der Folgen dieser Entwicklung, die sich auch auf dem afrikanischen Kontinent beobachten lässt, ist die rapide Umwälzung des Arbeitsmarkts. Ähnlich wie früher bei der Ausbeutung des globalen Südens, als multinationale Konzerne billige Arbeitskräfte in Afrika, Asien oder Südamerika suchten, benötigt auch heute die globale KI-Wirtschaft eine neue Form prekärer und unsicherer Arbeit, die sie bevorzugt von armen Bevölkerungsgruppen und Gemeinschaften verrichten lässt. Über digitale Arbeit im Mikroformat – auch Click Work genannt – gibt es umfassende Studien und Kommentare, etwa zu Amazon Mechanical Turk (einer Crowdsourcing-Plattform für Online-Arbeiten). Für diese Form von Arbeit, die auf riesigen Datenmengen basiert, benötigen Arbeiter*innen lediglich Zugang zu einem Computer. Für gewöhnlich müssen sie ein Angebot abgeben, erhalten nur Minimallöhne und werden allzu oft emotional belastenden Inhalten ausgesetzt, etwa beim Verschlagworten gewaltsamer und verstörender Bilder oder Videos. Eine aktuelle Untersuchung digitaler Arbeit im globalen Süden offenbarte, dass Flüchtlingscamps zum neuen Fokuspunkt für ausbeuterische Praktiken durch Big Tech und andere Plattformen auf deren Suche nach billigen digitalen Arbeitskräften geworden sind. In Dadaab, einem der weltweit größten Flüchtlingslager nahe der Ostgrenze Kenias, wo etwa eine Viertelmillion Geflüchteter aus ganz Afrika untergebracht sind, wurden Zelte mit Hunderten von Computern errichtet und unzählige Meter Kabel verlegt, damit Campbewohner*innen Click Work erledigen können. Wie es Phil Jones beschreibt, „kann ein Arbeitstag das Verschlagworten von Videos, das Transkribieren von Audiodateien oder die Unterstützung von Algorithmen bei der Identifizierung von Katzenfotos umfassen“, alles Aufgaben, die KI-Technologien zu mehr Effizienz verhelfen, aber bereits vulnerable Personen einer sinnlosen und verstörenden Arbeit aussetzen, ohne dass es angemessene Arbeitsrechte oder Arbeitsschutz gäbe. 

Gig Economies

Neben dem Feld der digitalen Mikroarbeit sind es vor allem expandierende, KI-basierte Gig-Economy-Unternehmen wie Uber oder Bolt Food, die in vielen Ländern Afrikas tätig sind, die ein Risiko für die Rechte von Arbeiter*innen darstellen. Letztere verfügen nur über eine eingeschränkte soziale Absicherung, etwa in Form von Versicherungen, Gesundheitsversorgung und Krankengeld, und darüber hinaus sind sie routinemäßig Überwachungsmaßnahmen ausgesetzt, die in ihre Privatsphäre eingreifen. Zudem verfolgen Algorithmen ihre Aktivitäten und Performance und kontrollieren und beeinflussen ihr Verhalten. In Kenia gibt es eine schnell wachsende Gig Economy, die bereits die Stufe überschritten hat, bei der internationale Plattformen für gewöhnlich ihren Anfangsvorteil ausspielen können. Schätzungen zufolge könnten 2023 etwa 93.000 Menschen im kenianischen Gig-Economy-Sektor beschäftigt sein. In einer Studie im Rahmen der Youth Impact Labs der Mercy Corps zu den neu entstehenden Gig-Economy-Sektoren in Kenia, Tansania und Äthiopien wird betont, wie wichtig es sei, politische Maßnahmen für dort arbeitende Personen zu ergreifen. Dazu gehöre auch die Einrichtung eines Fonds für diesen Sektor, der als Sicherheitsnetz für Situationen wie die Corona-Pandemie dienen könnte, als viele Beschäftigte in diesem Sektor plötzlich ihre Arbeit verloren und keine Absicherungsmechanismen für den Einkommensverlust vorhanden waren.

Die Rolle ausländischer Unternehmen und Regierungen beim Einsatz von KI in Afrika

Ungeachtet einiger Lichtblicke bei transformativen KI-Projekten auf dem Kontinent, bleibt bei sich rasch ausbreitenden KI-Technologien, die im Ausland entwickelt wurden, unklar, ob sie lokalen Gemeinschaften tatsächlich zugutekommen. Mit großem Abstand ist es vor allem China, das KI-basierte Technologien nach Afrika exportiert. Entscheidend für Chinas KI-Expansion in Afrika waren vor allem der außenpolitisch-makroökonomische Bezugsrahmen Pekings, die sogenannte Belt-and-Road-Initiative, sowie die darin eingebettete Initiative für eine digitale Seidenstraße. Stand Mai 2021 hatten 40 von 54 afrikanischen Staaten Abkommen zur Belt-and-Road-Initiative unterzeichnet, in deren Rahmen Smart-City-Infrastrukturen, 5G-Netzwerke, Überwachungskameras, Cloud-Computing und elektronischer Handel in vielen afrikanischen Städten Einzug hielten.

Künstliche Intelligenz stellt zum einen eine Gefahr für grundlegende Menschenrechte und die politische Stabilität von Ländern dar, besonders wenn sie ohne vorherige Testphasen, Folgenabschätzungen oder eine gleichzeitige Entwicklung lokaler Kompetenzen eingeführt wird. Zum anderen werden KI-Technologien für gewöhnlich auch nur von einer Handvoll multinationaler Konzerne entwickelt und angeboten, die das Wachstumspotenzial lokaler Unternehmen und der heimischen Wirtschaft beschneiden. Huawei ist ein Paradebeispiel für einen solchen dominanten Marktteilnehmer. Andere solcher Unternehmen stellen Clouddienste bereit, die zentral für KI-Systeme und die Entwicklung von KI sowie für die Speicherung der riesigen dabei genutzten Datenmengen sind, wie etwa AWS, der führende Anbieter für Clouddienste weltweit. Für die Einrichtung hochtechnisierter Clouddienste sowie der massiven Datenzentren, die erforderlich sind, um diese datenbasierten Dienste bereitzustellen und mit Energie zu versorgen, sind erhebliche Ressourcen vonnöten – Land, Elektrizität, Wasser und technische Expertise –, zu denen für gewöhnlich nur Big-Tech-Konzerne Zugang haben.

In Südafrika hat AWS vor Kurzem mit der Errichtung eines neuen Datenzentrums in Kapstadt begonnen – ein Teil seiner Strategie, ein regionales Hauptquartier an der Südspitze des Kontinents zu etablieren. Der Standort des 150.000 m2 großen Entwicklungsprojekts befindet sich jedoch auf Land, das die indigenen Völker Südafrikas, die Khoikhoi und die San, für sich beanspruchen. Holländische Kolonialist*innen hatten sie im 17. Jahrhundert von dort vertrieben. Aktuell gibt es Kampagnen zur Verhinderung des Projekts sowie ein Gerichtsverfahren, das erst noch am Anfang steht. Doch das Versprechen, direkt für die Schaffung von 8.000 Arbeitsplätzen zu sorgen sowie indirekt für 13.000 weitere Jobs, ist ein enorm überzeugendes Argument in einem Land, das im Zuge von Corona – und bei Anwendung der erweiterten (und inklusiveren) Definition von Arbeitslosigkeit – eine offizielle Arbeitslosenrate von 46,6 % aufweist.

Die Regulierung von KI in Afrika – aktuelle Trends

Immer mehr Länder auf dem Kontinent sind bereits dabei oder haben vor, eine nationale KI-Strategie zu entwickeln, welche die Einführung von KI-Systemen regelt. Viele dieser Dokumente folgen internationalen Trends rund um das Thema KI, die Tim Dutton wie folgt zusammengefasst hat:

  1. Grundlagen- und angewandte Forschung zu KI
  2. Anwerbung, Ausbildung und Bindung von KI-Talenten
  3. Zukunft der Arbeit und von Kompetenzen
  4. Industrialisierung von KI-Technologien
  5. Einsatz von KI im öffentlichen Sektor
  6. Daten- und IT-Infrastruktur
  7. Ethik
  8. Regulierung
  9. Inklusivität
  10. Außenpolitik

Afrikanische Länder, die bislang keine eigene KI-Strategie haben, verfügen zum Teil immerhin über Mechanismen im IT- sowie im Datenschutzbereich, die auf die KI anwendbar sind. Der folgende Teil bietet einen Überblick über diese aktuellen Trends. Zunächst werden die nationalen KI-Strategien von Mauritius, Ägypten und Ruanda ebenso wie die „Blueprint for AI in Africa“-Initiative (dt. etwa: Blaupause für KI in Afrika) der von verschiedenen afrikanischen Staaten finanzierten SMARTAfrica-Allianz dargestellt. Anschließend werden verschiedene der aktuellen politischen Rahmensetzungen in Afrika diskutiert, die für KI-Themen relevant sind. Und nicht zuletzt soll es um Chancen und Grenzen beim Transfer von Konzepten aus anderen regulatorischen Kontexten gehen.

Eine Übersicht zu bestehenden KI-Richtlinien in Afrika
Mauritius

Mauritius war das erste afrikanische Land, das eine KI-Strategie veröffentlichte. In dem 2018 als Teil des Berichts einer nationalen Arbeitsgruppe zu künstlicher Intelligenz veröffentlichten Dokument wird die Perspektive einer Einführung von KI als "Schaffung einer neuen Säule für die Entwicklung unserer Nation“ beschrieben, die in der Lage sei, sozioökonomisches Wachstum in zentralen Sektoren anzutreiben. Die Arbeitsgruppe identifizierte verschiedene prioritäre KI-Bereiche und erarbeitete umfassende Vorschläge für mögliche Anwendungen und den Ausbau bereits bestehender Projekte. Zu diesen zentralen KI-Bereichen gehören die Produktion, das Gesundheitswesen, Finanzdienstleistungen sowie die Landwirtschaft. Zwei weitere Bereiche sind KI in der Meereswirtschaft mit smarten Häfen und Seeverkehrsmanagement sowie KI im Energiesektor für eine Senkung der CO2-Emissionen. Am Ende des Berichts werden verschiedene Empfehlungen aufgeführt, unter anderem Richtlinien für den Kompetenzaufbau, die Finanzierung von Forschung & Entwicklung sowie Regulierungsmechanismen, wie etwa Datensicherheit, offene Datenplattformen und die Einsetzung eines KI-Ethikrates.

Ägypten

Ägypten veröffentlichte im Juli 2021 eine umfassende nationale KI-Strategie, die in den kommenden drei bis fünf Jahren umgesetzt werden soll. Im Zentrum des Strategiepapieres steht löblicherweise der Wunsch sicherzustellen, dass die Einführung von KI und entsprechender Systeme zur Umsetzung der nationalen Entwicklungsprioritäten Ägyptens beiträgt. Offen bleibt jedoch, ob es im Rahmen dieser Debatte auch eine Auseinandersetzung um Menschenrechtsbedenken rund um staatliche Massenüberwachung und Zensur geben wird. Die Strategie ruht auf vier Säulen: Einsatz von KI in Behörden für eine höhere Effizienz, mehr Transparenz und bessere Entscheidungsfindung; Einsatz von KI durch den öffentlichen und den privaten Sektor, um Entwicklungsziele zu erreichen; generationsübergreifender Ausbau von Kapazitäten rund ums Thema KI: Ausbildung, Kompetenzen und Forschung; sowie eine zentrale Rolle in der internationalen und regionalen Zusammenarbeit zu KI mittels bilateraler Abkommen, gemeinsamer Verpflichtungen und Partnerschaften. Diese vier Säulen sollen von vier Förderinstrumenten begleitet werden: Governance, einschließlich entsprechender Gesetze, Richtlinien sowie ethischer und technischer Vorgaben; Daten, sowohl im Rahmen des 2020 verabschiedeten Datenschutzgesetzes für Privatpersonen und einer neuen, noch zu entwickelnden Datenstrategie; Infrastruktur, einschließlich Cloud-Computing und Datenspeicherung; sowie Ökosysteme, wozu Institutionen, Start-Ups und alle erforderlichen Talente gehören, die es für ein verantwortungsbewusstes und innovatives landesweites KI-Ökosystem bedarf.

Abbildung 3: Säulen und Wegbereiter der ägyptischen KI-Strategie

Ruanda

Ruanda steht kurz vor der Fertigstellung seiner nationalen KI-Strategie, die 2022 veröffentlicht werden soll. Dieses Strategiedokument umfasst sechs Prioritätsbereiche, die jeweils in ermöglichende, beschleunigende und sichernde Faktoren unterteilt sind. Ähnlich wie in Ägypten verbindet Ruanda seine Prioritäten mit „ermöglichenden Faktoren“, wie etwa die Bildung eines Kompetenzpools sowie die Verfügbarkeit von Daten, und ist bestrebt, den Einsatz von KI sowohl im öffentlichen als auch im privaten Sektor voranzutreiben – zum Wohle der Gesellschaft allgemein.

Abbildung 4: Ruandas nationale AI-Politik

SMARTAfrica

SMARTAfrica wurde 2013 von verschiedenen afrikanischen Staats- und Regierungschef*innen gegründet, um Informations- und Kommunikationstechnologien sowie allgemein die digitale Entwicklung auf dem Kontinent voranzutreiben. Die Organisation veröffentlichte eine Reihe von strategischen Konzepten, die afrikanische Staaten im digitalen Bereich umsetzen können, einschließlich Smart Cities und landwirtschaftliche Technologien. 2021 veröffentlichte SMARTAfrica gemeinsam mit der südafrikanischen Regierung das Dokument „Blueprint on Artificial Intelligence for Africa“ (dt. etwa: Blaupause zu künstlicher Intelligenz in Afrika). Das Konzeptpapier beschreibt KI als Universaltechnologie, die sich auf alle Bereiche der Gesellschaft und Wirtschaft auswirkt, und definiert fünf Säulen für eine erfolgreiche KI-Strategie in afrikanischen Ländern:

  • Humankapital, einschließlich technisch ausgebildeter Arbeitskräfte und KI-Talente;
  • Entwicklung von der Ideenfindung bis zur Marktreife sowie Entwurf von KI-Lösungen, die skalierbar sind und Risikokapital anziehen;
  • Infrastruktur, die erforderlich ist, um KI lokal zu entwickeln, etwa Zugang zu Daten und leistungsstarkem Computing;
  • Vernetzung im Rahmen eines erweiterten Ökosystems aus öffentlichen und privaten Trägern und Partnerschaften, einschließlich internationalen Organisationen und Industrieverbänden; sowie
  • Regulierung des Umgangs mit neuen Chancen und Herausforderungen von KI auf nationaler und Branchenebene

Ähnlich wie im Fall der KI-Strategie von Mauritius, beinhaltet auch die Blaupause eine Auflistung exemplarischer Einsatzgebiete für KI in den Bereichen Landwirtschaft, Gesundheit, Bildung, Finanzdienstleistungen, Energie & Transport sowie Klimawandel.

Aus den obigen Erörterungen ergibt sich, dass die neuen, in Afrika entwickelten KI-Rahmenkonzepte wesentlich dazu beitragen können, manche der in Teil 1 ausgeführten Problemfelder zu lösen. Darunter fallen etwa Bedenken hinsichtlich des Schutzes von Daten, die von digitalen Identifikationssystemen erfasst werden, wo strenge Datenschutzgesetze und effiziente Aufsichtsstellen eine zentrale Rolle bei der Abwehr potenzieller Gefahren spielen können. Des Weiteren ist der Aufbau nationaler KI-Ökosysteme, die von einer entsprechenden Daten- und Computing-Infrastruktur gestützt werden, essenziell, wenn es darum geht, ausländischen Technologien auf dem Kontinent etwas entgegenzusetzen und KI-Lösungen zu befördern, die lokalen Bedürfnissen zugutekommen.

Was den Arbeitsmarkt angeht, wird in den Strategiepapieren – und insbesondere in der nationalen KI-Strategie Ägyptens – viel Wert darauf gelegt, dass menschliche Arbeitskraft nicht in großem Umfang durch KI-basierte Automatisierung ersetzt werden darf. Wo es hingegen an Aufmerksamkeit mangelt, ist die schwierige arbeitsrechtliche Situation von digitalen Arbeiter*innen, etwa im Click-Work- oder im Gig-Economy-Sektor. Nicht zuletzt gehen die strategischen Konzepte auch dann nicht weit genug, wenn es um das Potenzial der KI geht, demokratische Prozesse zu unterminieren, etwa durch die Verbreitung von Fake News oder das unangemessene Löschen von Inhalten, oder wenn Menschenrechte durch den Einsatz von Systemen zur Gesichtserkennung oder KI-Systemen verletzt werden, die ökologische oder kulturelle Rechte beeinträchtigen.

Zum Ende dieses Teil soll es darum gehen, welche politischen Felder mit Bezug zu KI derzeit in Afrika an Bedeutung gewinnen und inwiefern sie eine Lösung für die oben angesprochenen neuen Probleme rund um KI sein können. Nicht zuletzt soll es auch darum gehen, was uns ein Blick auf die EU bei der Entwicklung von KI-Regulierungsansätzen verraten kann.

Politische Entwicklungen mit Bezug zu KI in Afrika
Data Governance

Daten sind ein zentraler Baustein bei der KI-Entwicklung. Zur lokalen Entwicklung von KI-Lösungen, die lokale Entwicklungsfragen und -prioritäten beherzigen, bedürfen KI-Entwickler*innen enormer Mengen relevanter und qualitativer Daten. Erhebungen des Open Data Barometer zufolge liegt die Subsahara-Region bei der Gewährleistung eines angemessenen Zugangs zu Daten aus dem öffentlichen Sektor weit abgeschlagen hinter anderen Regionen. Dass die ägyptische und die ruandische KI-Strategie einen Schwerpunkt auf Daten-Richtlinien und auf einen gesicherten Zugang zu öffentlichen Daten legen, ist daher sehr zu begrüßen. Eine besonders positive Entwicklung stellt die Annahme des Continental Data Policy Framework (dt. etwa: Kontinentaler Strategierahmen in Bezug auf Daten) durch die Kommission der Afrikanischen Union im Februar 2022 dar, der den gleichberechtigten Zugang aller Menschen in Afrika zu digitalen und datenbasierten Technologien unterstreicht.

Datenschutzgesetze wirken sich darauf aus, wie Personen die Weitergabe von Informationen wahrnehmen, die personenbezogene Daten umfassen könnten. Die europäische Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) legt strenge Maßstäbe an die Weitergabe personenbezogener Daten außerhalb der Europäischen Union an. Konkret bedeutet dies, dass nur Daten an Dritte weitergegeben werden können, die sich in einem Land mit einem gleichwertigen Datenschutzniveau befinden, bzw. nur dann, wenn über ein schriftliches Einverständnis sichergestellt ist, dass Dritte die Daten im Einklang mit den DSGVO-Bestimmungen verarbeiten. Aktuell ist in Afrika ein politischer Trend zu beobachten, bei dem afrikanische Staaten Datenschutzgesetze oder Datenrichtlinien verabschieden, damit Daten im eigenen Territorium verbleiben. Dahinter stehen vor allem wirtschaftliche Erwägungen, da Daten als zentrale Innovationsressource angesehen werden, die marktwirtschaftliche Effizienz und wirtschaftliches Wachstum fördern, und lokale Unternehmen auf Daten, die im Land verbleiben, leichter zugreifen können. Dieser Trend stellt auch eine Antwort auf das Problem dar, dass viele in Afrika aktive digitale Unternehmen nur einen begrenzten wirtschaftlichen Nutzen auf lokaler Ebene erbringen, wenn sie allein im digitalen Bereich tätig sind und keine Räume anmieten oder erwerben und keine lokalen Arbeitskräfte engagieren. 

Das kenianische Datenschutzgesetz von 2019 sieht beispielsweise vor, dass von allen ins Ausland übertragenen personenbezogenen Daten eine Kopie im Land selbst aufbewahrt und gespeichert werden muss. Während das kenianische Datenschutzgesetz nur auf personenbezogene Daten anwendbar ist, sieht ein neuer südafrikanischer Entwurf für eine Daten- und Cloud-Richtlinie vor, dass eine Kopie jeglicher in Südafrika generierter Daten im Land gespeichert werden muss. Wenig überraschend hat diese Bestimmung im Richtlinienentwurf heftige Kritik hervorgerufen, was auch für ähnliche Konzepte gilt, etwa in Nigeria. Denn mit der scheinbar propagierten Datenlokalisierung werden die Voraussetzungen zur Legalisierung staatlicher Massenüberwachung oder zur Etablierung eines Data-Governance-Systems geschaffen, das im Widerspruch zu bewährten Praktiken steht, die statt auf Dateneigentum auf Datenverwaltung setzen. 

Umschulung

Viele der üblichen politischen Lösungen für den drohenden Arbeitsplatzverlust durch Automatisierung sind für afrikanische Kontexte wenig geeignet. Der zentrale Lösungsansatz für Jobverluste sind staatliche Programme zur Umschulung oder Weiterbildung vorhandener Arbeitskräfte. Ein Thema, das bislang jedoch viel zu wenig Aufmerksamkeit erfahren hat, ist die Auswirkung von Automatisierung auf den Arbeitsplatzverlust von Frauen in Afrika, die die Mehrzahl geringqualifizierter Arbeitsplätze mit repetitiven Aufgaben übernehmen und daher leichter durch Automatisierung ersetzt werden können. In den politischen Lösungen zum Thema Jobverlust finden die Lebensrealitäten von Frauen, die den Großteil der Verantwortung für den Haushalt zu tragen haben und damit über wenig bis keine Zeit für eine Umschulung für digitale Jobs verfügen, nur selten Berücksichtigung. Ein Beispiel dafür ist das südafrikanische Weißbuch zu Wissenschaft, Technologie und Innovation von 2019. Auch im Fall der neuen KI-Strategie Ruandas bleibt unklar, inwiefern diese die strukturellen Hürden berücksichtigt, denen Frauen im digitalen Zeitalter gegenüberstehen. Zusätzlich verschärft wird die Situation durch die wachsende digitale Kluft zwischen den Geschlechtern auf dem Kontinent, wo verschiedene soziale Faktoren, einschließlich fest verankerter patriarchaler Strukturen, dazu führen, dass Frauen einen deutlich schlechteren Zugang zu digitalen Technologien haben als Männer.

Soziale Medien

Angesichts der Reichweite von Plattformen wie Facebook und Twitter ist es von überragender Bedeutung, dass es unabhängige Aufsichtsstellen in Afrika zu den Bereichen Menschenrechte und Datenschutz gibt, die die entsprechenden Akteure zur Rechenschaft ziehen können, wenn ihre Aktivitäten Menschenrechte verletzen oder die politische Stabilität eines Landes gefährden. Das gilt auch im umgekehrten Fall, wenn nämlich Regierungen mit einer Verhinderung des Zugangs zu diesen Plattformen politische Aktivitäten und demokratische Prozesse beeinträchtigen. Andere Länder, einschließlich den EU-Mitgliedsstaaten, haben mit ähnlichen Themen zu kämpfen, wenn es um die Regulierung der sozialen Medien und ihres gesellschaftlichen Einflusses geht. Ein positives Beispiel in dieser Hinsicht ist der Fall, den die südafrikanische Menschenrechtskommission vor das südafrikanische Equality Court (dt. etwa: Gleichheitsgericht) brachte, bei dem es um ein gefälschtes Twitter-Konto ging, das rassistisch motivierte Hassrede auf der Plattform verbreitete. Nach ausgiebiger Kommunikation mit Twitter erhielt die Menschenrechtskommission die erforderlichen Daten, um die Identität des*der Nutzer*in festzustellen und den Fall vor das Equality Court zu bringen. Zur Gewährleistung fairer und einheitlicher Protokolle und Praktiken sind in Afrika tätige Social-Media-Unternehmen zudem aufgefordert, ihre Moderationsteams mit angemessenen lokalen Kenntnissen und Sprachfähigkeiten auszustatten. 

Übertragung von Konzepten: Chancen und Grenzen

Bei der Entwicklung politischer Richtlinien zum Umgang mit Chancen und Herausforderungen rund um das Thema künstliche Intelligenz können politische Entscheidungsträger*innen in Afrika manches von den Erfahrungen der EU lernen, zum Beispiel wie sich der Schutz grundlegender Menschenrechte und Freiheiten sowie demokratischer Prozesse darin priorisieren lässt. Die Ankündigung des EU-Afrika-Investitionspakets Global Gateway in Höhe von 150 Milliarden Euro für Projekte in Afrika ist ein wichtiger Schritt in der Zusammenarbeit zwischen beiden Regionen. Investitionen sollen unter anderem in die Energiewende sowie in den Übergang zu einer digitalen Wirtschaft getätigt werden. Der letztere Bereich soll dabei prioritär behandelt werden und neben Cloud- und Dateninfrastrukturen auch – erd- und seeverlegte – Glasfaserkabel umfassen. 

EU-Verordnung über künstliche Intelligenz

Vor Kurzem hat die EU mit ihrer Verordnung über künstliche Intelligenz ("AI Act“) einen risikobasierten Ansatz zur KI-Regulierung vorgelegt. Darin werden KI-Anwendungen anhand verschiedener Risikostufen eingeordnet, die der Gefahr entsprechen, die von ihnen für Demokratie sowie für grundlegende Menschenrechte und Freiheiten ausgehen. KI-Technologien, die ein höheres Risiko darstellen, erfordern umfassendere regulatorische, ethische und sicherheitstechnische Schutzvorkehrungen. Zu diesen Schutzmaßnahmen gehören soziale Folgenabschätzungen für weniger risikoreiche Technologien und unabhängige Prüfverfahren für stärker risikobehaftete Technologien. Für Hochrisiko-KI-Anwendungen, wie etwa biometrische Echtzeitverfahren, gilt in vielen Fällen ein Verbot.

Für den Aufbau von KI-Ökosystemen, die lokale Wertesysteme berücksichtigen und auf lokale Fragestellungen eingehen, ist es erforderlich, die strukturellen und infrastrukturellen Vorbedingungen für KI-Technologien anzugehen. In Afrika ist der Zugang zu den großen Datenmengen, die für die Entwicklung und das Training von KI-Systemen erforderlich sind, stark begrenzt. Dieser fehlende Zugang lässt sich am besten an den Ergebnissen des Open Data Barometer ablesen, wo die Verbreitung des Internets in der Region als höchst ungleich verteilt beschrieben wird. Zudem sind häufig weder ausreichend zuverlässige Energiesysteme für KI-Hochleistungscomputer vorhanden noch Computing-Ressourcen für lokale Innovator*innen und Unternehmen. Die für die Region benötigten KI-Strategien und regulatorischen Lösungen unterscheiden sich daher grundlegend von jenen im globalen Norden oder anderen Teilen der Welt. Entsprechend lassen sich anderswo entwickelte politische Konzepte oder Standards nicht nahtlos übertragen, da unter anderem der strukturelle und infrastrukturelle Kontext afrikanischer Staaten unberücksichtigt bleibt. 

Während die EU-Verordnung über KI ein guter Ausgangspunkt dafür ist, den Schutz von Menschenrechten und Demokratie in KI-Richtlinien zu berücksichtigen, ist sie dennoch unzureichend, wenn es darum geht, einige der allgemeineren strukturellen Probleme anzugehen, denen politische Entscheidungsträger*innen in Afrika in Sachen KI gegenüberstehen. Rechtebasierte Ansätze legen ihren Schwerpunkt oftmals auf individuelle Rechte der sogenannten ersten Generation, wie etwa das Recht auf Privatsphäre oder Ausdrucksfreiheit. Sie versäumen es jedoch, sozioökonomische Rechte adäquat zu berücksichtigen – was essenziell ist, um eine KI-bedingte Verschärfung der sozialen Ungleichheit abzuwenden. Das risikobasierte Modell vermag es hingegen nicht, langfristige gesellschaftliche Schäden zu erfassen, etwa die Herabwürdigung indigener und lokaler Wissenssysteme, arbeitsrechtliche Probleme, die mit Click Work und dem Gig-Economy-Sektor einhergehen, oder die Umweltauswirkungen von KI. 

EU-DSGVO

Des Weiteren zwingen neu entstehende regulatorische Standards, die extra-territorial zur Anwendung kommen, afrikanische Regierungen dazu, Bestimmungen zu erfüllen, die für sie weder technisch noch wirtschaftlich umsetzbar sind und die für den jeweiligen Kontext womöglich auch nicht geeignet sind. Die DSGVO ist außerhalb Europas das vermutlich wirkmächtigste Instrument zur Regulierung der Verarbeitung personenbezogener Daten sowie von Daten, die zur Entwicklung von KI-Systemen genutzt werden könnten. Mit der DSGVO wird die Verarbeitung der personenbezogenen Daten von Europäer*innen reguliert, und zwar unabhängig davon, wo diese Verarbeitung stattfindet. Im Gegensatz dazu regulieren Datenschutzgesetze in Südafrika und Kenia lediglich die Verarbeitung personenbezogener Daten, die in ihren jeweiligen Jurisdiktionen stattfindet. Entsprechend gilt, dass jegliche Einrichtung in Afrika, die die personenbezogenen Daten von Europäer*innen verarbeiten will, die Bestimmungen der DSGVO erfüllen muss.

Obgleich die Einhaltung dieser Bestimmungen nicht per se problematisch sein muss, sieht die DSGVO doch strengere Datenschutzvorgaben vor als die meisten Länder auf dem afrikanischen Kontinent. Daraus ergeben sich zwei mögliche Implikationen. Erstens könnte das von der DSGVO für die Sicherung der Daten erforderliche technische Niveau entweder nicht vorhanden oder nicht bezahlbar sein, insbesondere für kleine Datenverarbeitungsbetriebe, wie etwa lokale Start-Ups. Damit würde die DSGVO diesen Unternehmen faktisch den Zugang zu internationalen Märkten verwehren, und sie hat bereits jetzt einen erheblichen Einfluss auf den Austausch von Daten zu Forschungszwecken zwischen EU-Staaten und afrikanischen Ländern. Zweitens: Da das von der DSGVO vorgesehene Datenschutzniveau höher ist als in entsprechenden Verordnungen auf dem afrikanischen Kontinent, entstehen zwei unterschiedliche Datenschutzniveaus, wo die personenbezogenen Daten von Europäer*innen, die in Afrika verarbeitet werden, einen höheren Schutz gegen Eingriffe und eine missbräuchliche Verwendung genießen als die personenbezogenen Daten von Afrikaner*innen.

Zentrale politische Erwägungen zu KI in Afrika

Wenn politische Entscheidungsträger*innen in Afrika die besten KI-Strategien sowie ihre Umsetzung in den jeweiligen Ländern abwägen, sollte ein Hauptaugenmerk auf dem Aufbau nachhaltiger lokaler KI-Ökosysteme liegen, die mit eigenen KI-Lösungen aufwarten, um nationale Entwicklungsprioritäten voranzutreiben und inklusive und florierende afrikanische Gesellschaften zu befördern. Bei diesem Ansatz muss bedacht werden, welche Implikationen ein KI-Einsatz jenseits wirtschaftlicher Interessen haben könnte. Es geht um eine Bewertung dessen, inwieweit globale KI-Strukturen den besonderen Herausforderungen für KI in der Region gerecht werden. Und es geht um die Erarbeitung politischer Konzepte unter Beteiligung vielfältiger Interessengruppen, wie etwa lokale Tech- und Datenunternehmen, zivilgesellschaftliche Gruppierungen sowie Gemeinschaften, die von KI-Richtlinien direkt betroffen sein könnten.

Im Folgenden werden einige wichtige politische Felder angeführt, die es – abgeleitet von der obigen Analyse – für politische Entscheidungsträger*innen in Afrika zu berücksichtigen gilt. Ungeachtet dieser Punkte muss jedoch stets auch beachtet werden, wie sich KI-Systeme auf Frauen sowie auf andere vulnerable Gruppen in der Gesellschaft auswirken, etwa Geflüchtete, Kinder oder Menschen mit Behinderungen. Entsprechende politische Konzepte müssen so ausgerichtet sein, dass ein KI-Einsatz inklusiv erfolgt und nicht zu einer Verschärfung der sozialen Ungleichheit führt.

Infrastrukturentwicklung

Afrikanische Regierungen sollten ihre Bemühungen darauf konzentrieren, eine zuverlässige, sichere und inklusive Infrastruktur aufzubauen und aufrechtzuerhalten, die sich für die lokale KI-Entwicklung eignet. Dies schließt insbesondere Maßnahmen ein, die den allgemeinen Internetzugang fördern und lokale Akteure davon abhalten, das Internet abzuschalten, aber auch Maßnahmen, die die Verwaltung von und den Zugang zu Daten so gestalten, dass sie der Entwicklung dienen. Dem Data Policy Framework, den die Afrikanische Union derzeit debattiert, wird eine zentrale Rolle bei der Förderung einheitlicher Data-Governance-Standards auf dem gesamten Kontinent zukommen. Das EU-Afrika-Investitionspaket Global Gateway wiederum sollte als Mechanismus genutzt werden, mit dem ein gleichberechtigter Zugang zu grundlegender – sowie erweiterter – IT-Infrastruktur gewährleistet werden kann. 

Regionale Zusammenarbeit

Die regionale Zusammenarbeit wird weiterhin eine wichtige Rolle spielen, wenn es um die Entwicklung eines gemeinsamen regulatorischen Rahmens für die Aktivitäten multinationaler und ausländischer Tech-Unternehmen in der Region geht. Beispielsweise sollte diese Zusammenarbeit auch auf die Entwicklung gemeinsamer steuerrechtlicher Vorschriften für multinationale Social-Media-Plattformen ausgeweitet werden. Darüber hinaus ist regionale Zusammenarbeit auch vonnöten, um Vereinbarungen über den Datenaustausch zwischen Ländern aufzusetzen, die – zum Zwecke der Erfüllung eigener Entwicklungsprioritäten – lokalen KI-Entwickler*innen Zugang zu einer großen Bandbreite an Daten aus dem öffentlichen Sektor bieten. Das im afrikanischen Freihandelsabkommen AfCFTA (African Continental Free Trade Agreement) aufgenommene Protokoll zum elektronischen Handel könnte sich anbieten, um hier eine Bestimmung zur Unterstützung des regionalen Datenaustausches aufzunehmen und auf diese Weise regionale Entwicklungsziele und das Wirtschaftswachstum zu unterstützen

Aufbau lokaler Kompetenzen und Kapazitäten

Der Aufbau von Kompetenzen in den Bereichen KI sowie Daten und Technologie unter politischen Entscheidungsträger*innen sowie unter Arbeitskräften auf dem Kontinent ist eine zentrale Vorbedingung, um künstliche Intelligenz verantwortungsbewusst nutzen und entwickeln zu können und den entsprechenden Prozess zu unterstützen. Ganzheitliche Richtlinien zum Kapazitätsaufbau sind erforderlich, um auf allen Ebenen ein Verständnis zum Thema KI zu entwickeln, während spezifische Maßnahmen dafür sorgen, dass Frauen in MINT-Berufen sowie in KI-bezogenen Entscheidungspositionen gefördert werden. Entsprechende Bestimmungen können zudem Maßnahmen dafür vorsehen, einen diversen KI-Kompetenzpool aufzubauen, indem Einreisebeschränkungen für Afrikaner*innen mit einem Hintergrund in Informations- und Datenwissenschaften aufgehoben werden.

Beteiligung und wirtschaftliche Teilhabe lokaler Gemeinschaften

Angesichts der enormen wirtschaftlichen Versprechungen von KI und den möglichen Auswirkungen einiger KI-Anwendungen (wie etwa biometrische Identifizierungssysteme) auf die gesamte Gesellschaft, sollte alles dafür getan werden, lokale Gemeinschaften bei der Entwicklung und dem Einsatz von KI-Systemen einzubinden, die sie betreffen könnten. Des Weiteren sollten Strukturen aufgebaut werden, die es ermöglichen, bestimmte Summen an Gemeinschaften auszuzahlen, deren Daten zur Entwicklung eines KI-Systems genutzt werden. Wirtschaftliche Teilhabe sollte entsprechend auch ein zentrales Prinzip bei der Erarbeitung nationaler Ethikrichtlinien für KI sein.

Förderung afrikanischer Wertesysteme und Grundsätze zur Ethik der künstlichen Intelligenz

Vor dem Hintergrund der vielfältigen sozialen und kulturellen Kontexte in Afrika sollten ethische KI-Standards ihren Schwerpunkt auf digitale Kompetenzen und Bildung, die wirtschaftliche Teilhabe von Gemeinschaften, ganzheitliche Umschulungsprogramme, Zugang zu grundlegender IT-Infrastruktur, den Schutz von ethnischen Minderheiten sowie die Förderung diverser Wissensformen bei der Entwicklung von KI-Lösungen legen.

Internationale Entwicklungshilfe

Ein wichtiger Baustein für Entwicklung in Afrika bleibt die internationale Entwicklungshilfe. Bei der Unterstützung verantwortungsbewusster KI-Lösungen auf dem Kontinent sollten Geberländer, zwischenstaatliche Organisationen und andere Geberorganisationen ihren Fokus darauf legen, Bemühungen um eine inklusive IT-Infrastruktur und den Aufbau langfristiger Kompetenzen für die KI-Governance zu unterstützen, wie es im Rahmen des EU-Afrika-Investitionspakets Global Gateway vorgesehen ist. Nicht zuletzt sollte betont werden, dass bei der Erarbeitung einer eigenen KI-Governance die Souveränität afrikanischer Staaten gewahrt bleiben sollte. Entsprechende KI-Lösungen sollten verfassungsrechtlichen und Gründungsprinzipien genügen sowie der Umsetzung lokaler Entwicklungsprioritäten dienen

Suggested Citation: Adams, R. 2022. ‘AI in Africa: Key Concerns and Policy Considerations for the Future of the Continent,’ Policy Brief No. 8. Berlin: APRI

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Dr Rachel Adams ist die leitende Forscherin bei Research ICT Africa, wo sie das AI4D Africa Just AI Centre (dt. etwa: AI4D-Zentrum für gerechte KI in Afrika) leitet. Sie ist Projektleiterin am African Observatory on Responsible AI AORAI (dt. etwa: Afrikanisches Observatorium für verantwortungsbewusste KI) und leitende Forscherin des Global Index on Responsible AI (dt. etwa: Globaler Index für verantwortungsbewusste KI). Dr. Adams hat zu verschiedenen Themen veröffentlicht, darunter KI und Gesellschaft, KI und Gender, Open Data sowie Datenschutz. Sie ist die Autorin von „Transparency: New Trajectories in Law“ (Routledge 2020) und die Hauptautorin von „Human Rights and the Fourth Industrial Revolution in South Africa“ (HSRC Press 2021).

APRI als Institution äußert sich nicht zu politischen Fragen. Die in den Veröffentlichungen zum Ausdruck gebrachten Ansichten sind die der Autor*innen und spiegeln nicht unbedingt die Ansichten von APRI, seiner Mitarbeitenden oder seines Vorstands wider.

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