Afrikas aufstrebende digitale Wirtschaft
Afrikas Digitalwirtschaft wird bis 2025 voraussichtlich mit 180 Milliarden US-Dollar zur Gesamtwirtschaftsleistung beitragen. Dies wird die Lebensqualität der Bevölkerung Afrikas durch mehr Wirtschaftswachstum, Karrieremöglichkeiten und bessere technologiegestützte Dienstleistungen zweifellos verbessern. Digitale Plattformen haben den Zugang zu Bildung, Landwirtschaft und Gesundheitsfürsorge bereits verbessert. Dies zeigt, dass Investitionen in Afrikas Digitalsektor zahlreiche Vorteile mit sich bringen.
Aufgrund steigender Investitionen in die afrikanische Digitalwirtschaft hat sich die entsprechende Infrastruktur in den letzten Jahrzehnten rasch entwickelt. Allein im Jahr 2020 konnten sich 359 afrikanische Technologie-Start-ups eine Finanzierung sichern; im Jahr 2015 waren es nur 55 gewesen. Zwischen 2015 und 2021 haben afrikanische Fintech-Start-ups fast 900 Mio. US-Dollar an Finanzmitteln erhalten. Der Privatsektor war in den letzten Jahren zunehmend am Aufbau der digitalen Wirtschaft in Afrika beteiligt und hat damit das Wachstum der Fintech-Branche und anderer Sektoren in Nigeria, Kenia und Südafrika maßgeblich vorangetrieben.
Das AfCFTA und Afrikas Projekt für einen gemeinsamen digitalen Wirtschaftsraum
Das 2018 ins Leben gerufene afrikanische Freihandelsabkommen AfCFTA, das Anfang 2021 in Kraft trat, soll den Handel zwischen afrikanischen Ländern und gleichzeitig Wirtschaftswachstum und Entwicklung fördern. Mittels Verpflichtungen zur Harmonisierung und Liberalisierung des Handels zwischen den Vertragsparteien könnte das Abkommen zur Errichtung der größten Freihandelszone der Welt führen. Die afrikanischen Länder sollten daher alles daran setzen, Handelshemmnisse zu beseitigen und einen gemeinsamen Wirtschaftsraum nach dem Vorbild der Europäischen Union zu schaffen.
Mit dem Abkommen verpflichten sich die Vertragsstaaten, gemeinsam eine hochwertige wissenschaftliche und technologische Infrastruktur zu schaffen und die Forschung im Technologiesektor zu fördern, um die soziale und wirtschaftliche Entwicklung zu beschleunigen. Darüber hinaus befasst sich das Abkommen mit Investitionen, geistigen Eigentumsrechten und Wettbewerbspolitik. Theoretisch könnte das AfCFTA Afrikas Digitalwirtschaft einen deutlichen Schub verleihen, denn die afrikanischen Länder könnten bei Handelsgesprächen als Block verhandeln, dank eines großen Markts Investitionen für Start-ups anziehen und, was am interessantesten ist, die Einführung einer einheitlichen Währung fördern, um den Zahlungsverkehr innerhalb Afrikas zu erleichtern.
Was steht diesem digitalen Traum noch im Weg?
Afrikas Digitalwirtschaft hinkt weiterhin hinter anderen Regionen her und bleibt hinter globalen Standards zurück. So liegt beispielsweise die Internetgeschwindigkeit in afrikanischen Ländern noch immer unter dem weltweiten Mindeststandard.
Die Strategie für die digitale Transformation in Afrika führt als einige ihrer zahlreichen Herausforderungen unter anderem unzureichende digitale Kapazitäten, das Fehlen eines entsprechenden unternehmerischen Ökosystems, strukturschwache IKT-Branchen und -Dienstleistungssektoren sowie unzureichende Investitionen auf. Hinzu kommt, dass Afrika trotz der wachsenden Zahl an Fintech-Start-ups über kein effizientes Zahlungssystem verfügt. Die Probleme mit dem Auslandszahlungsverkehr, mit denen Afrika konfrontiert ist, sind nicht nur für die Länder selbst, sondern auch für regionale und internationale Institutionen zu einem Problem geworden.
Darüber hinaus hat die Afrikanische Union (AU) eingeräumt, dass zu deren Schwachstellen die mangelnde Zusammenarbeit zwischen den kontinentalen Akteuren sowie ein unzureichendes Regelwerk zur Überwachung und Umsetzung der Strategie für die digitale Transformation gehören. Die afrikanischen Länder müssen sicherstellen, dass das AfCFTA richtig umgesetzt wird, indem sie die verschiedenen Interessengruppen einbeziehen und den Top-Down-Ansatz der AU-Kommission anpassen. Andernfalls wird es nicht gelingen, die Handelsbeschränkungen, die vor dem Abkommen bestanden, abzubauen. Auf politischer Ebene fehlt es offensichtlich an einem koordinierten Ansatz zur Förderung der digitalen Wirtschaft. Nur acht von 54 Ländern haben die Malabo-Konvention über Cybersicherheit und den Schutz personenbezogener Daten ratifiziert.
Einzelne afrikanische Länder sind dabei, Richtlinien im Bereich Cybersicherheit, Datenschutz, Digitalisierungsstrategien und nationale Entwicklungspläne zu verabschieden. Es hat jedoch den Anschein, dass sowohl die einzelnen afrikanischen Staats- und Regierungschef*innen als auch die AU als Ganzes in der praktischen Umsetzung hinter ihren ehrgeizigen politischen Zielsetzungen zurückbleiben.
Die EU-Politik und Afrikas Digitalwirtschaft
Die Europäische Union (EU) ist einer der wichtigsten Partner Afrikas. Mit ausländischen Direktinvestitionen in Höhe von 239 Mrd. Euro (Stand 2018) ist Europa einer der größten Investoren in Afrika. Im Jahr 2019 investierte die Europäische Investitionsbank bis zu 500 Mio. Euro in die Unterstützung afrikanischer Start-ups, unter anderem im digitalen Sektor.
Von den beträchtlichen Investitionen der EU in Afrika floss jedoch nur ein kleiner Teil in die schnell wachsende digitale Wirtschaft auf dem Kontinent, insbesondere im Vergleich zu den Mitteln, die aus China, den USA und Großbritannien stammen. Auf diese drei Länder entfallen 70 Prozent des gesamten grenzüberschreitenden elektronischen Handels mit Afrika, während die EU sich im Bereich Digitalwirtschaft darauf beschränkt hat, Regulierungsvorschriften und Soft Skills weiterzugeben. Angesichts dieses trägen Anlaufs bei der Erarbeitung einer sinnvollen und kohärenten Digitalstrategie scheint die EU ein großes Interesse daran zu haben, ihre digitale Dominanz weltweit auszuweiten, und könnte in Afrika durchaus einen unwahrscheinlichen Verbündeten finden.
Im Jahr 2015 hielten die Staats- und Regierungschef*innen der Europäischen Union und der Afrikanischen Union ein Gipfeltreffen ab. In der daraus resultierenden Erklärung verpflichteten sie sich, in junge Menschen zu investieren, um Wirtschaftswachstum und Entwicklung zu fördern. Beide Seiten kamen überein, Informations- und Kommunikationstechnologien sowie regulatorische Rahmenbedingungen auszutauschen, die weitere Investitionen in digitale Infrastrukturen vorsehen. Allerdings wächst die Sorge darüber, dass die Investitionen größtenteils in europäische Institutionen und nicht an afrikanische Unternehmen fließen. So unterzeichnete die Europäische Kommission im Rahmen der EU-Investitionsoffensive für Drittländer Garantievereinbarungen mit sechs europäischen Institutionen, nämlich der Europäischen Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBWE), der Europäischen Investitionsbank (EIB), der deutschen KfW-Förderbank, der spanischen Agencia Española de Cooperación Internacional para el Desarrollo (AECID) und der niederländischen Entwicklungsbank (FMO). Sie erleichtert auch die Zusammenarbeit zwischen der italienischen Entwicklungsbank Cassa Depositi e Prestiti (CDP) und der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB).
Die EU unterstützt die AU aktiv bei der Entwicklung von Strategien im Zusammenhang mit neuen Technologien wie digitale Identifizierung, Data Governance und Cybersicherheit mittels Initiativen wie der Policy and Regulation Initiative for Digital Africa (PRIDA). Im Jahr 2018 haben die Europäische Kommission und die AU-Kommission die EU-AU-Taskforce für digitale Wirtschaft ins Leben gerufen, die sich unter anderem mit den Themen digitaler Unternehmergeist und Netzanbindung befasst. Die Taskforce gab Empfehlungen zu vier zentralen Bereichen ab:
- Zugang zu erschwinglichen Breitbandanschlüssen und digitaler Infrastruktur
- Digitale Kompetenzen
- Digitaler Unternehmergeist
- Elektronische Dienste (elektronische Behördendienste, Smart Cities, elektronischer Handel und elektronische Gesundheitsdienste).
In ihrem Bericht zur neuen Partnerschaft zwischen Afrika und Europa für den digitalen Wandel empfiehlt die EU-AU-Taskforce für digitale Wirtschaft, ein günstiges „Regulierungsumfeld für wettbewerbsfähige, harmonisierte regionale Konnektivitätsmärkte“ zu fördern, „den lokalen Rechtsrahmen auf allen Ebenen der Wertschöpfungskette an die digitale Wirtschaft anzupassen“ und „die Bereitstellung von elektronischen Diensten, die sowohl vom öffentlichen als auch vom privaten Sektor entwickelt werden, mit angemessenen Rechtsakten und Regelungen auf allen Ebenen zu verknüpfen“. Obwohl diese Bemühungen als gemeinsame Initiative dargestellt werden, finden sie in den internen Prozessen der Afrikanischen Union kaum Erwähnung.
Können wir unseren Weg zum Wohlstand regulieren?
Das Engagement der EU für die Digitalisierung in afrikanischen Ländern ist lobenswert. Dennoch gibt es mehrere Punkte, die sich aus der EU-AU-Strategie in Bezug auf die Übertragung von gesetzlichen Regelungen ergeben und die es dabei zu berücksichtigen gilt.
Erstens arbeitet die AU, anders als die EU, oft mit „weichen Gesetzen“, die für die Mitgliedstaaten in der Regel nicht rechtsverbindlich sind. Daher ist es wichtig, von Anfang an verschiedene Perspektiven, Bedürfnisse, Herausforderungen und Beiträge einer großen Bandbreite an Akteuren zu berücksichtigen, anstatt ausschließlich Top-Down-Ansätze für Zustimmung, Ratifizierung und Umsetzung zu entwickeln.
Zweitens zeigt eine Untersuchung dazu, wie neue Technologien in den verschiedenen Ländern reguliert werden, dass die Ansätze zur Innovationsumgebung von Land zu Land unterschiedlich sind. Die USA tendieren beispielsweise zu einer Unterregulierung, nehmen derzeit jedoch auf globaler Ebene technologisch und kulturell gesehen eine hegemoniale Stellung ein. Die EU hingegen neigt zur Überregulierung, was letztendlich zu Lasten von Innovation und Kreativität geht. Das soll nicht heißen, dass wir Big Tech unkontrolliert schalten und walten lassen sollten. Stattdessen wäre ein goldener Mittelweg angebracht.
Ein Beispiel für innovationshemmende Überregulierung ist die erfolgreiche Einführung von Mobile Money (elektronische Zahlungsform mit Mobilgeräten) in Kenia und Ostafrika im Kontrast zu Nigeria, wo trotz der umfassenden Verfügbarkeit von Telekommunikationsdiensten nur wenige Menschen darauf zurückgreifen. In Kenia haben 72 Prozent der Bevölkerung ein Mobile Money Konto und nur 29 Prozent ein Bankkonto (wobei 73 Prozent finanziell inkludiert sind). In Nigeria und Westafrika haben die Zentralbanken strengere Gesetze zur Regulierung der Mobile Money Branche erlassen, was zu einem ungünstigen regulatorischen Umfeld führte. Folglich haben nur 3 Prozent der nigerianischen Bevölkerung ein Mobile Money Konto und nur 30 Prozent gelten als finanziell inkludiert. Während eine wirksame Regulierung ein verbessertes regulatorisches Umfeld für Investor*innen in Afrika schaffen kann, könnte sich eine Überregulierung als nachteilig für die Innovation erweisen und ihren potenziellen Nutzen behindern.
Der dritte Punkt, den es zu berücksichtigen gilt, ist der häufige Einsatz von Regulierungsinstrumenten als Mittel zur Durchsetzung regressiver Politiken durch autoritäre Regierungen. Dazu gehören Steuern auf soziale Medien und digitale Nutzung für Bürger*innen, Gesetze gegen Hassrede, die Zensur digitaler Plattformen und Fintechs, exorbitante Steuern für kleine Unternehmen und die Einschränkung des grenzüberschreitenden Zahlungs- und Bankverkehrs. Diese Maßnahmen können alle ehrgeizigen und bürgernahen Visionen für eine digitale Transformation zunichtemachen.
Schließlich gilt zu bedenken, dass Afrika nicht Europa ist. Die Übertragung von Vorschriften, die in einem europäischen Kontext entstanden sind, auf den afrikanischen Kontinent bringt mehr Schaden als Nutzen und hindert die afrikanischen Staaten daran, ihre eigene digitale Zukunft zu konzipieren.
Wie soll es weitergehen?
Die 239 Mrd. Euro an ausländischen Direktinvestitionen (ADI) in Afrika, von denen weiter oben in diesem Artikel die Rede war, machen nur 2,7 Prozent der Gesamtinvestitionen in Höhe von 8.750 Mrd. Euro aus, die von in der EU ansässigen Personen bis Ende 2018 getätigt wurden. Und das, obwohl die EU im Jahr 2020 mit einem Anteil von 28 Prozent an den Ausfuhren und Einfuhren der größte Partner Afrikas im Warenverkehr war. Diese Diskrepanz kann durch die weitere Förderung von Investitionen im afrikanischen Privatsektor und die Erleichterung der Anbindung des afrikanischen Privatsektors an den EU-Binnenmarkt verringert werden. Ein solcher Ansatz würde die Nachfrage nach und die Entwicklung von digitaler Kompetenz beschleunigen, eine robustere öffentlich-private Infrastruktur schaffen, Handel und Vernetzung fördern und die Lebensqualität auf dem gesamten Kontinent verbessern.
Afrika gehört zu den wirtschaftlich am schnellsten wachsenden Regionen der Welt. Dennoch fehlen dort eine digitale Infrastruktur und der Zugang zu entsprechenden Diensten. Mit Investitionen aus der EU könnte Afrika sich besser als Innovationszentrum positionieren und so seinen eigenen digitalen Binnenmarkt für Waren und Dienstleistungen ausbauen. Die Unterzeichnung des afrikanischen Freihandelsabkommens AfCFTA könnte einen bedeutenden Impuls setzen, wenn die Regierungen Maßnahmen zur Förderung von privaten Investitionen ergreifen und die Anbindung zu Europa erleichtern. Um dies zu erreichen, ist es wichtig, sorgfältig nationale Rechtsvorschriften auszuarbeiten, die dem Wohl aller afrikanischen Bürger*innen dienen. Dazu ist ein breites Spektrum an Perspektiven aus der Zivilgesellschaft, dem Privatsektor und den Bürger*innen selbst einzubinden. Der Schlüssel zu einer nachhaltigen Digitalstrategie zwischen der EU und afrikanischen Staaten liegt schließlich darin, lokale Gegebenheiten zu verstehen und zu berücksichtigen und sich zu einer echten Partnerschaft zu verpflichten.
Über die Autorin
Neema Iyer ist Künstlerin und Technologin. Sie ist außerdem Gründerin von Pollicy, einer zivilgesellschaftlichen Technologieorganisation mit Sitz in Kampala, Uganda, und ist Co-Moderatorin des Podcasts Terms and Conditions. Derzeit leitet sie eine Reihe von Projekten, die sich auf den Aufbau von digitaler Kompetenz, die Förderung von Diskussionen über Data Governance und digitale Sicherheit sowie auf politische Innovationen konzentrieren.