Der Autor argumentiert, dass politische Entscheidungsträger*innen und Entwicklungsakteure die deutsch-afrikanische Zusammenarbeit im Bereich der globalen Gesundheit als erfolgreichen, nutzbringenden Multilateralismus würdigen, jedoch den gegenseitigen Nutzen und die Gegenseitigkeit in Frage stellen.

​​Ist die deutsch-afrikanische Zusammenarbeit im Bereich globale Gesundheit tatsächlich wechselseitig und zum beiderseitigen Vorteil?
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Dieser Artikel ist Teil der Reihe „Deutschlands Afrikapolitik“. Die Reihe wird herausgegeben von Dr. Melanie Müller und Dr. Olumide Abimbola.

Zusammenfassung
  • Um bestehende Ungleichheiten zu überwinden, bedarf die Zusammenarbeit zwischen Europa, insbesondere Deutschland, und afrikanischen Staaten in Gesundheitsfragen einer grundlegenden Neuausrichtung.
  • Die derzeitige Gesundheitszusammenarbeit zwischen Deutschland und afrikanischen Staaten beruht auf Ansätzen aus der Kolonialzeit und muss dekolonisiert werden.
  • In den letzten Jahren hat die Bundesregierung ihren Fokus auf die Entwicklungszusammenarbeit im Gesundheitsbereich, die Finanzierung im globalen Gesundheitsbereich sowie die Gesundheit von Müttern und Kindern in Afrika gelegt.
  • Die Auswirkungen von Partnerschaften auf Public-Health-Institutionen, die Fachkräfteentwicklung im Gesundheitsbereich ebenso wie auf das Thema der Gesundheitsgerechtigkeit müssen kritisch beleuchtet werden. Die Fachkräftemobilität sowie Forschung und Entwicklung in der Gesundheitszusammenarbeit gehören ebenfalls auf den Prüfstand.
  • Neue deutsch-afrikanische Gesundheitspartnerschaften müssen auf mehr Bescheidenheit basieren sowie auf dem Respekt für Sichtweisen, die mit Blick auf die Entwicklung einer neuen afrikanischen öffentlichen Gesundheitsordnung nach Autonomie und historischer Gerechtigkeit streben. Dazu gehören finanzielle Lösungen für Themen wie Klimaanpassung, Eindämmung des Klimawandels und Finanzierung für Verluste und Schäden im Klimabereich, die dabei helfen können, umwelt- und klimabedingte Risiken für die menschliche Gesundheit abzufedern.
Einführung

In der Zusammenarbeit zwischen Europa oder, genauer gesagt, zwischen Deutschland und afrikanischen Staaten in Gesundheitsfragen ist es im Zuge der Coronapandemie zu großen Veränderungen gekommen. Obwohl die Zusammenarbeit im globalen Gesundheitsbereich bereits in den vergangenen zehn Jahren verstärkt im politischen Fokus stand, hat die Pandemie gezeigt, dass es nötig ist, die vorhandenen Beziehungen anzupassen, will man diese zukünftig vertiefen. Denn die Beziehungen waren und sind noch immer alles andere als fair oder wechselseitig. Der Zugang zu medizinischen Produkten und Fragen dazu, wie medizinisch-wissenschaftliches Wissen erzeugt und geteilt wird, sowie – noch grundsätzlicher – wer die Prioritäten einer solchen Agenda bestimmt, sind weiterhin von einer großen Ungleichheit bestimmt. In diesem Beitrag sollen die verschiedenen gesundheits- und außenpolitischen Aspekte der deutsch-afrikanischen Beziehung im Bereich globale Gesundheit beleuchtet werden. Des Weiteren soll erörtert werden, wie eine dekoloniale Perspektive zu einer Weiterentwicklung dieser Beziehungen beitragen könnte. Als konzeptionelles und analytisches Werkzeug dient dabei das von Labonté und Gagnon entwickelte GHD-Modell (für eine Globale Gesundheitsdiplomatie). Schließlich werden sechs politische Felder identifiziert, die das Thema Gesundheit auf die außenpolitische Agenda setzen und als Grundlage eines GHD-Ansatzes dienen könnten: Sicherheit, Entwicklung, globale öffentliche Güter, Handel, Menschenrechte sowie ethische/moralische Fragestellungen.

Ein koloniales Erbe

Wie in den meisten europäischen Ländern beruht auch die moderne gesundheitspolitische Zusammenarbeit zwischen Deutschland und afrikanischen Staaten auf Beziehungen und Ansätzen aus der Kolonialzeit. Dieses koloniale Erbe hat noch immer entscheidenden Einfluss darauf, wie die aktuellen Verbindungen im Gesundheitsbereich aussehen. Da ist zum einen die Tatsache, dass der Großteil der technischen und wissenschaftlichen Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich zwischen Deutschland und heutigen afrikanischen Regierungen noch immer in jenen geografischen Regionen Afrikas beheimatet ist, in denen sich bis zum Ersten Weltkrieg die deutschen Kolonien befanden. Zum anderen hat die Tropenmedizin, für die Einrichtungen wie das Bernhard-Nocht-Institut für Tropenmedizin oder das Robert-Koch-Institut (RKI) stehen, ihren Ursprung in einem weiter gefassten kolonialen Projekt. Angesichts der kolonialen Kontinuitäten in der Gesundheitszusammenarbeit mag es wenig überraschend erscheinen, dass viele Forscher*innen und Aktivist*innen aus dem globalen Süden eine Dekolonialisierung der Beziehungen im Bereich globale Gesundheit einfordern. Zu den zentralen Forderungen gehört die Aufhebung der bisherigen Vormachtstellung bestimmter Länder, eine Stellung, die offensichtlich ist angesichts dessen, „wie globale Gesundheitsinstitutionen agieren, wer diesen vorsteht, wo sie ihre Standorte haben, wer die finanzielle Kontrolle hat, wer die Agenda bestimmt und wessen Perspektiven, Geschichten und Wissen ernstgenommen werden“. Vor einer Erörterung dieser Forderung soll jedoch die Entwicklung der deutsch-afrikanischen Beziehungen im Gesundheitsbereich entflochten werden. 

Die Entwicklungszusammenarbeit im Gesundheitsbereich während des Kalten Krieges und danach

Ihre Einbettung in die Logik des Kalten Krieges bedingte, dass sich die Zusammenarbeit der Bundesrepublik Deutschland (BRD) mit afrikanischen Staaten in Gesundheitsfragen sehr stark vom Ansatz der Deutschen Demokratischen Republik (DDR) unterschied. Ende der 1950er Jahre begann die BRD, medizinisches und wissenschaftliches Personal zum Zweck des Kapazitätsaufbaus, der Weitergabe von Kenntnissen und zur technischen Unterstützung in die früheren afrikanischen Kolonien zu entsenden. Diese technische Unterstützung wurde und wird bis heute durch kirchliche Einrichtungen wie dem Deutschen Institut für ärztliche Missionen (Difäm) und dem Missionsärztlichen Institut Würzburg geleistet. Ab den 1960er Jahren kamen dann noch staatlich finanzierte, kirchliche Nichtregierungsorganisationen (NROs) wie Brot für die Welt und Misereor dazu, die ebenfalls Projekte zur medizinisch-technischen Unterstützung von Partnerorganisationen in West- und Ostafrika durchführten, etwa mit christlichen Gesundheitsorganisationen. Darüber hinaus vermittelten sie Stipendien, mit denen Studierende ein Medizin- oder Public-Health-Studium in der BRD aufnehmen konnten.

Die DDR wiederum legte ihren Kooperationsschwerpunkt auf sozialistische Partnerländer und präsentierte ihre Hilfe statt in einem „humanitären“ oder „entwicklungsbezogenen“ Gewand als Zusammenarbeit im Geiste der „Solidarität“. Dies geschah zum Teil im Rahmen internationaler medizinisch-wissenschaftlicher Ausstellungen, die vom Deutschen Hygiene-Museum Dresden organisiert wurden. Ausstellungen fanden beispielsweise in Algerien, Ägypten, Tansania und Mali statt. Das Finanzvolumen der von der BRD unterstützten Projekte war mit insgesamt rund 80 Projekten in Afrika in den 1960er Jahren ungleich höher. Die DDR beschränkte sich hauptsächlich darauf, Medizinstipendien für Menschen aus unabhängig, später sozialistisch regierten Ländern zu vergeben, etwa in Guinea, Mali und Mosambik.

Nach der Wiedervereinigung 1990 wurde die Entwicklungszusammenarbeit im Gesundheitsbereich institutionalisiert und professionalisiert. Die damalige Deutsche Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ, später GIZ) wurde zu einem Partner für die Entwicklungszusammenarbeit, dem eine zentrale Rolle bei der Erarbeitung von Konzepten zur Gesundheitspolitik und zu Gesundheitssystemen zukam. Seit 2002 war eines der „Leuchtturmprojekte“ der GIZ die Initiative BACKUP Gesundheit, die Länder dabei unterstützt, beim Globalen Fonds zur Bekämpfung von AIDS, Tuberkulose und Malaria (GFATM) Gesundheitsprogramme einzureichen und diese dann umzusetzen und die weitere Entwicklung zu überwachen. Die GIZ unterstützte auch die Globale Allianz für Impfstoffe und Immunisierung, mit der die drei großen Epidemien AIDS, Tuberkulose und Malaria, eingedämmt werden sollten, an denen zu Anfang des Jahrtausends jährlich mehr als sechs Millionen Menschen starben, ein Großteil von ihnen in Subsahara-Afrika. Daneben war auch die Bekämpfung der Mütter-, Säuglings- und Kindersterblichkeit ein weiteres Schwerpunktthema als Teil der Millenniums-Entwicklungsziele (2000–2015). Im Laufe der Zeit entstanden langwährende Partnerschaften mit afrikanischen NROs, darunter Aidspan, Frontline AIDS und die International Planned Parenthood Federation, die in so unterschiedlichen Ländern wie Kenia, Guinea, Malawi und Togo tätig sind.

In jüngster Zeit lag der Schwerpunkt auf der Ausweitung von Finanzierungsmechanismen im globalen Gesundheitssektor für eine flächendeckende Gesundheitsversorgung und eine soziale Absicherung im Krankheitsfall. Beides sind Kernelemente der gesundheitsbezogenen Teile der Agenda für Nachhaltige Entwicklung (2015–2030), die auf ein inklusiveres Wirtschaftswachstum abzielt. Einer der Pfeiler bei der Umsetzung dieses Ziels ist das Globale Netzwerk für Gesundheitsfinanzierung (P4H). Zu den gemeinsamen Projekten von GIZ und P4H gehören einige mit den Ministerien für Gesundheit und nationale Planung von Kamerun, Malawi und Nigeria. Entsprechende finanzielle Mittel legten auch die Grundlage für eine wissenschaftliche Zusammenarbeit und Bildungsangebote durch zahlreiche Gesundheitsstipendien im Rahmen des Deutschen Akademischen Austauschdienstes (DAAD), der wichtigsten Einrichtung, die nicht-klinische, auf die öffentliche Gesundheit ausgerichtete Forschungsfinanzierung sowie Zuschüsse zum Erwerb eines Masters oder Doktortitels in Public Health bietet.

Ein Großteil der staatlichen Bildungskooperation ist allerdings klinisch ausgerichtet. Daran lässt sich wohl ablesen, dass Sozialwissenschaftler*innen sowie Forscher*innen anderer interdisziplinärer Fachbereiche selten am Bildungsbetrieb im Bereich Public Health oder an der zugehörigen Forschung an medizinischen Fakultäten in Deutschland beteiligt sind, weshalb ihre Ansätze nicht in der deutsch-afrikanischen Gesundheitszusammenarbeit auftauchen. Angesichts der komplexen transnationalen und gesellschaftlichen Faktoren, die Einfluss auf die Ungleichheiten im Gesundheitsbereich und deren Folgen haben, mangelt es hier ganz offenbar am entsprechenden Wissen und zugehörigen Praktiken. Das betrifft nicht nur den Bereich der Infektionskrankheiten, sondern in jedem Fall auch den der nichtübertragbaren Krankheiten, die ihren Ursprung im ernährungstechnischen, urbanen und umweltbezogenen Kontext moderner Gesellschaften haben, sowohl in Afrika als auch in Europa.

Gesundheitssicherheit und globale öffentliche Güter

Die Coronapandemie und vor ihr bereits andere internationale gesundheitliche Notlagen, wie der Ebola-Ausbruch in Westafrika (2014–2016) und die fortwährende HIV/AIDS-Pandemie in den Jahrzehnten davor, haben das Bewusstsein dafür geschärft, dass Staaten transnationalen Gesundheitsrisiken im Rahmen einer geteilten Verantwortung und aufeinander abgestimmter Maßnahmen begegnen müssen. Die Gesundheitssicherheit stellt auch einen der Schwerpunkte der kürzlich vorgestellten EU-Strategie für globale Gesundheit dar. Damit sucht die EU ihre Führungsrolle auszuweiten und ihre Bereitschaft zu bekräftigen, sich den zentralen Herausforderungen im globalen Gesundheitsbereich zu stellen, wozu der bisherige Rückstand in den Bemühungen und die Bekämpfung von Gesundheitsgefahren in epidemischen Zeiten gehören. Bei diesen Bedrohungen für die Gesundheitssicherheit kann es sich um chemische, biologische oder nukleare Bedrohungen oder um Epidemien handeln, einschließlich der unsichtbaren Gefahr antimikrobieller Resistenzen. Eine bedeutsame Strategie zur Abwehr dieser Gefahren ist im Konzept „Eine Gesundheit“ zusammengefasst. Auch in ihrer bilateralen, regionalen und multilateralen Gesundheitsdiplomatie spricht die EU mittlerweile vom Konzept „Team Europa“. Die wenigen bislang anvisierten „Team Europa“-Projekte (2022–2027) sollen, zumindest in der Theorie, die Errichtung einer „neuen öffentlichen Gesundheitsordnung für Afrika“ fördern. Der Großteil der Mittel ist allerdings für das dritte Programm der Partnerschaft Europas und der Entwicklungsländer im Bereich klinischer Studien (European and Developing Countries Clinical Trials Partnership – EDCTP) vorgesehen, das 15 EU-Mitgliedsstaaten mit 21 afrikanischen Ländern sowie Akteuren aus dem öffentlichen und aus dem privaten Sektor zusammenbringt, wozu Verbände aus der Industrie, Philanthrop*innen und Institutionen aus Ländern außerhalb der EU und Afrika gehören.

Auf den ersten Blick erscheinen sowohl der afrikanische als auch der europäische Ansatz kohärent und wechselseitig ausgerichtet. Ein anderer Eindruck ergibt sich beim Blick auf die Details von Schwerpunktsetzungen, Umsetzung, Governance und die politische Ökonomie solcher Partnerschaften. Beispielsweise wird auf die „Eine Gesundheit“-Priorität der EU, die die biomedizinische Zusammenarbeit mittels öffentlich-privater Partnerschaften ausweiten soll, in der neuen öffentlichen Gesundheitsordnung für Afrika nicht explizit verwiesen. Deren Schwerpunkt liegt eher auf dem Aufbau starker Institutionen, der Deckung des Arbeitskräftebedarfs und der Durchführung von Programmen zur Entwicklung von Führungskräften im Bereich der öffentlichen Gesundheit. Die widerstreitenden Interessen zwischen der Verfolgung wirtschaftlicher Interessen und der Stärkung der Zusammenarbeit im Bereich der öffentlichen Gesundheit lassen sich auch an einer Rede des südafrikanischen Präsidenten Ramaphosa ablesen. Sehr explizit kritisierte er bei der Pressekonferenz des letzten EU-Afrika-Gipfels (Februar 2022) die mangelnde internationale Impf-Gerechtigkeit sowie die verzögerte Verfügbarkeit der Impfstoffe in afrikanischen Ländern:

„Staaten, denen es damit ernst ist sicherzustellen, dass die Welt Zugang zu Impfstoffen hat, sollten dafür sorgen, dass unserem Vorschlag zugestimmt wird, das TRIPS-Abkommen (WTO-Übereinkommen zu geistigem Eigentum) auszusetzen, statt sich hinter dem geistigen Eigentum zu verschanzen. […] Wenn wir darüber reden, das Leben von Hunderten von Millionen von Menschen über den Profit einiger weniger Unternehmen zu stellen, ist es nicht akzeptabel, dass sich Afrika beim Zugang auf Medikamente stets am Ende der Schlange wiederfindet. Und während wir die Spenden [über die COVAX-Initiative zur Verteilung von Impfstoffen] begrüßen, werden diese jedoch nie eine nachhaltige Methode oder ein Mechanismus zum Resilienzaufbau sein.“

Die aktualisierte Strategie der Bundesregierung zur globalen Gesundheit (2022) gründet ebenfalls darauf, die bereichsübergreifende, globale Gesundheitssicherheit zu verbessern und die multilaterale Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich zu stärken. Die Bundesregierung gehörte zu den treibenden Kräften hinter Reformen, die dafür sorgen sollten, dass die Weltgesundheitsorganisation (WHO) mit einem nachhaltigeren Finanzierungsmechanismus ausgestatten und die Zusammenarbeit im Bereich globale Gesundheit stärker in der Agenda der G7 und G20 verankert werden. Zudem gehört Deutschland zu den WHO-Mitgliedsstaaten, die aktiv an den Verhandlungen zu einem internationalen Pandemieabkommen beteiligt sind, und ist einer der Hauptgeber des neuen internationalen Pandemie-Fonds, der von der Weltbank verwaltet wird.

Im Rahmen seiner multilateralen Verantwortung hat Deutschland einen besonderen Fokus auf afrikanische Staaten gelegt, die als „wichtige Partner“ für eine verbesserte globale Gesundheit erachtet werden: „Deutschland wird insbesondere das afrikanische Regionalbüro der WHO, die Afrikanische Union und die dort angesiedelten „African Centers for Disease Control and Prevention“ (Africa CDC) unterstützen.“ Deutschland hat die Gründung eines Pandemie-Hubs (WHO Hub for Pandemic and Epidemic Intelligence) finanziell ermöglicht und hat die Finanzierungszusagen für die wissenschaftliche Zusammenarbeit in der Gesundheitssicherheit im Rahmen bereits bestehender Kooperationen zwischen dem RKI und den „African Centers for Disease Control and Prevention“ (Africa CDC) ausgeweitet. Beispielhaft für diese Form der Finanzierung ist die Reaktion auf den Cholera-Ausbruch in Malawi im Jahr 2023.

Erst wenn diese verschiedenen Partnerschaften einer kritischen Bestandsaufnahme unterzogen werden, wird abzusehen sein, ob sie die Institutionen der öffentlichen Gesundheit stärken, ob sie die inländischen und ausländischen Investitionen ausweiten, um den vorgelagerten sozio-ökologischen Faktoren, die die Gesundheitssicherheit beeinträchtigen, etwas entgegenzusetzen, und ob sie die Entwicklung eines kompetenten Arbeitskräfteangebots fördern. Eine in einem technischen Sinne eng gefasste biomedizinische Versicherheitlichung von Gesundheit in der deutsch-afrikanischen Zusammenarbeit dient womöglich nicht dem Schutz jener, die am ehesten einer sozialen und menschlichen Absicherung bedürfen – die Armen und Marginalisierten. Stattdessen kann sie zu einer derartigen Verzerrung der Maßnahmen führen, dass sie dem Schutz der Leben, der Interessen und der Privilegien der Bessergestellten dienen und damit Ungleichheiten eher verschärfen, statt sie zu überwinden.

Mobilität von Fachkräften, Forschung und Innovation in der globalen Gesundheitszusammenarbeit

Im Laufe der Zeit entwickelte sich der globale Gesundheitsbereich zu einem bedeutenden Treiber der wirtschaftlichen Entwicklung und der Handelszusammenarbeit. Zu den am schnellsten wachsenden Wirtschaftsbereichen gehören die Gesundheit, der Dienstleistungssektor und der breitere Bereich der Biowissenschaften. In vielen Ländern mit hohem und mittlerem Einkommen wächst der Gesundheitssektor schneller als das Bruttoinlandsprodukt. Allerdings stellt sich die Frage, ob die Handelszusammenarbeit im Gesundheitsbereich zwischen Deutschland und afrikanischen Ländern die Ungleichheiten in diesem Sektor reduzieren sowie die gesellschaftlichen Bedürfnisse auf beiden Seiten erfüllen kann. Wer profitiert wirklich von diesen ökonomischen Partnerschaften? Die der Frage zugrunde liegende Spannung soll nun anhand von einigen Beispielen beleuchtet werden.

Seit 2013 ist der Anteil ausländischer Pflegekräfte in Deutschland von 5,8 % auf 11 % angestiegen. Seit beinahe zehn Jahren besteht das GIZ-Programm „Triple-Win“, mit dem Einwanderung und Anstellung von Pflegekräften aus dem nicht-europäischen Ausland nach Deutschland erleichtert werden, und zwar nach ethischen Prinzipien. Zu den Herkunftsländern dieser Pflegekräfte, oftmals Frauen, gehören die Philippinen, der Kosovo, Vietnam, Tunesien und Nigeria. Sowohl die GIZ als auch das Centre for Global Development (CGD) werten das Programm, das auch im Rahmen des Globalen Pakts für Migration (2018) gefördert wird, als Erfolgsmodell für eine globale Ausbildungspartnerschaft (Global Skills Partnership), weil alle Seiten davon profitieren würden. Allerdings werden sowohl die Nachhaltigkeit solcher Projekte als auch die Evidenz, dass sie langfristig funktionieren, in Frage gestellt. Das gilt insbesondere für die Auswirkungen auf die Gesundheitssysteme der Herkunftsländer. Zudem sind bei der Einhaltung der Arbeitsrechte dieser migrantischen Arbeiter*innen ebenso wie bei der Übertragbarkeit sozialer Ansprüche aus Deutschland, wie etwa Renten oder Krankenversicherung, Nachbesserungen nötig.

Das deutsche Pharmaunternehmen BioNTech gehörte zu den ersten, die weltweit ein mRNA-Impfstoff zum Schutz vor Covid-19 entwickelten und in großem Maßstab herstellten. Im Juni 2022 begann es mit dem Bau einer Impfstoffanlage in Ruanda, die auf zwei modularen Impfstoff-Containern fußt. Das Projekt wird von der Bundesregierung und der EU-Kommission finanziell unterstützt. Die Anlage wird die erste Produktionsstätte für mRNA-Impfstoffe in Afrika sein und könnte, zumindest theoretisch, irgendwann auch mRNA-Impfstoffe gegen Malaria oder Tuberkulose herstellen. Zwar ist die Produktion für die Menschen in Afrika bestimmt, dennoch sind auch hier Fragen zur Nachhaltigkeit und Fairness der Zusammenarbeit angebracht. Erstens sind afrikanische Gesellschaften aus verschiedenen Gründen nur in abgeschwächter Form von der Coronapandemie betroffen gewesen, weshalb es aus Public-Health-Sicht für 2023 wahrscheinlich nur einen geringen Bedarf an Covid-19-Impfprogrammen geben wird. Zweitens sind Preisgestaltung, Marktzugänglichkeit und geistiges Eigentum aktueller und zukünftiger Impfstoffe noch zwischen BioNTech, der ruandischen Regierung und der noch in Entwicklung begriffenen African Medicines Agency auszuhandeln. Der Zugang zu diesen medizinischen Produkten, die Profitraten und die Frage, ob solche Impfpartnerschaften langfristig zu den Public-Health-Zielen afrikanischer Länder beitragen, erfordern ein auf Dauer angelegtes Monitoring. Das ist besonders deswegen der Fall, weil diese mRNA-Partnerschaft nicht Teil des internationalen mRNA-Technologie-Transfer-Hubs ist, einem Impfstoffnetzwerk unter der Ägide von WHO, Afrikanischer Union und Africa CDC.

Der mRNA-Technologie-Transfer-Hub wurde in Südafrika unter Mitwirkung von Afrigen Biologics, des South African Medical Research Councils (SAMRC) sowie von Biovac, einem südafrikanischen Impfstoffhersteller, errichtet. Im Rahmen dieser Partnerschaft sollen mRNA-Impfstoff-Technologien der zweiten Generation hergestellt werden, die auf andere Krankheiten als Covid-19 ausgerichtet sind. Im Gegensatz zur Kooperation mit BioNTech wird das geistige Eigentum bei den Urhebern verbleiben, jedoch anderen internationalen Partnern des Netzwerks kostenlos zur Verfügung gestellt werden. Zusammengefasst lässt sich also sagen, dass es sowohl von einer Public-Health- als auch von einer Handelsperspektive heraus erforderlich ist, einen genauen Blick darauf zu werfen, ob die EU und andere Partner auf eine lokale Impfstoffproduktion im Rahmen bilateraler Partnerschaften setzen oder doch auf den regionalen (AU) oder multilateralen Weg (WHO). Sowohl auf afrikanischer als auch auf europäischer Seite gibt es den berechtigten Wunsch nach „regionaler Autonomie“ im medizinischen Bereich. Angesichts der 70- bis 80 %-igen Abhängigkeit von medizinischen Lieferketten aus Indien und zu einem geringeren Ausmaß aus China, kommt solchen Partnerschaften eine zentrale Rolle zu. Was den „Fairness“-Charakter angeht, steckt der Teufel aber natürlich im Detail. Immerhin hat sich die Zusammenarbeit afrikanischer Länder mit Indien – als eine Form der Süd-Süd-Kooperation – als wechselseitiger und gleichberechtigter erwiesen als die Zusammenarbeit mit europäischen Pharmaproduzenten.

Gesundheit, Menschenrechte und ethische Argumente

Ein differenzierteres wissenschaftliches Verständnis der komplexen Wechselbeziehungen sozial-ökologischer Systeme führt uns zu der Einsicht, dass wir als Menschen in diesem sozialen Ökosystem namens Erde ein gemeinsames Schicksal teilen. Dabei geht es keineswegs nur um die Erzielung beiderseitiger Vorteile oder um geteilte Verantwortlichkeiten bei der Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich. Unser Schicksal als Gesellschaften ist untrennbar miteinander verknüpft, sei es im Kontext der drohenden Klimakrise, des ökologischen Kollapses, bewaffneter Konflikte, zunehmender Migration und Ernährungsunsicherheit oder angesichts neuer Epidemien. Diese Krisen sind in dem Sinne ungerecht, als dass sie bestehende Ungerechtigkeiten innerhalb und zwischen verschiedenen Ländern und Gesellschaften verschärfen. So gesehen sollte die afrikanisch-europäische Zusammenarbeit auf einem Ansatz beruhen, in dessen Mittelpunkt Klima- sowie soziale Gerechtigkeit stehen. Als praktischen Schritt zur Realisierung dieses Ziels definierten die Philosoph*innen Sen und Nussbaum, in deren Fokus die Menschenrechte stehen, Mindeststandards menschlicher Befähigung, die erfüllt werden müssen, damit Menschen ein würdiges Leben führen können. Zu diesen Befähigungen gehören das Recht auf Leben, Gesundheit, Vereinigungsfreiheit und Gleichheit vor dem Gesetz, Prinzipien also, die auch Teil der globalen Verpflichtungen zur Umsetzung der Ziele für nachhaltige Entwicklung sind. Wie lässt sich demnach die deutsch-afrikanische Gesundheitszusammenarbeit vor dem Hintergrund dieser ethischen Maßstäbe bewerten?

Positiv lässt sich hervorheben, dass die deutsche Außenpolitik und entwicklungspolitische Finanzierung Menschenrechtsfragen im Gesundheitsbereich recht direkt ansprechen und solche Ansätze unterstützen. In der Strategie der Bundesregierung zur globalen Gesundheit heißt es konkret, dass sie sich „für den weltweiten Schutz und die Förderung der Menschenrechte ein[setzt]“. Ziel ist dabei, neben der Umsetzung ökonomischer, sozialer und kultureller Rechte auch im Gesundheitsbereich menschenrechtliche Fortschritte zu verbuchen. Dabei legt die Strategie einen besonderen Fokus auf Geschlechtergerechtigkeit, die Unterstützung von Frauen und Mädchen sowie den Schutz sexueller und reproduktiver Rechte und Gesundheit. Ganz grundsätzlich verpflichtet sie sich den Grundsätzen der Teilhabe, des Empowerments und der Bedürfnisorientierung. Beispielsweise betreibt die GIZ ein umfassendes Beratungsprogramm zu den Themen Bevölkerungsdynamik sowie sexuelle und reproduktive Rechte, wozu auch Partnerschaften mit Ländern in Subsahara-Afrika gehören. Eines der zugehörigen Projekte beinhaltet die Unterstützung sexueller Minderheiten und marginalisierter Gemeinschaften in Kenia. Bislang mangelt es jedoch an einer klaren Umsetzungsstrategie sowie einem Monitoring-Ansatz der Bundesregierung und ihrer globalen Partner aus Afrika und anderswo, mit denen die Wirkung, die Finanzierung der zugesagten Verpflichtungen sowie die Übereinstimmung oder Lücken in Bezug auf die frühere und die aktuelle Strategie für die globale Gesundheit bewertet werden könnten. Dazu gehören auch die Menschenrechtsauswirkungen. Ein solches Rechenschaftsmodell würde dem außenpolitischen Ansatz der Bundesregierung im Gesundheitsbereich Legitimität verleihen und das beidseitige Vertrauen unter den internationalen Akteuren untermauern.

Politische Think-Tanks wie die Friedrich-Ebert-Stiftung oder die Rosa-Luxemburg-Stiftung fördern aktiv Programme mit Bezug zu sozialen, gesundheitlichen und Arbeitsrechten. Dabei kooperieren sie mit internationalen Partnern wie der Internationalen der öffentlichen Dienste (IÖD) oder feministischen Bewegungen in Afrika und darüber hinaus. Auf regionaler Ebene unterstützt Deutschland aktiv den AU-EU-Menschenrechtsdialog und ist bestrebt, die trilaterale Kooperation (AU-EU-UN) wiederzubeleben, um den Schutz von in Libyen gestrandeten Migrant*innen und Geflüchteten zu verbessern.

Kritisch zu sehen ist hingegen, dass Deutschland aktiv die EU-Grenzschutzbehörde Frontex unterstützt, die kürzlich dabei überführt wurde, wie sie illegale Pushbacks von Migrant*innen aus Griechenland in die Türkei zu vertuschen versuchte. Diese Maßnahmen stellen eine Verletzung von Grundrechten, inklusive dem auf Gesundheit dar. Neben dem strittigen Thema geistiger Eigentumsrechte und der Frage des Zugangs zu medizinischen Produkten, wie oben bereits besprochen, unterstützt die Bundesregierung auch das „Global Gateway“-Projekt der EU, ein wichtiger Pfeiler der EU-Strategie für globale Gesundheit, mit dem „nachhaltige, sinnvolle Partnerschaften auf Augenhöhe gefördert werden“ sollen. Eine kürzlich durchgeführte Analyse der Entwicklungseffekte der Gateway-Initiative kommt jedoch zu dem Schluss, dass „das ‚Global Gateway‘-Projekt hauptsächlich den Interessen der Privatwirtschaft dient und es ihm an einem kohärenten Ansatz zur Armutsreduzierung mangelt. Es gibt keine Belege dafür, dass Europa mit Global Gateway einen ‚positiven Beitrag‘ für die Zielländer leistet. Das umfasst auch einen Mangel an Klarheit darüber, wie die Übernahme demokratischer Eigenverantwortung für Entwicklungsstrategien durch die Partnerländer gewährleistet werden soll“.

Debattenbeitrag zur Schwerpunktverschiebung in der globalen Gesundheit 

Wie lässt sich also – unter Anwendung der GHD-Perspektive – die afrikanisch-europäische Gesundheitszusammenarbeit in der Zeit nach Covid-19 analysieren? Wenn wir der Analyse eine politikwissenschaftliche realistische Theorie zugrunde legen, ergibt sich, dass sich der Fokus auf die Sicherheitsbelange von (National-)Staaten verschoben hat, und zwar als Reaktion auf verschiedene globale Gesundheitsrisiken im Kontext bewaffneter Konflikte, des ökologischen Kollapses, von Epidemien sowie im Bereich der Ernährungs- und Energiesicherheit. Diese Phase ersetzt einen stärker liberalisierten Ansatz der globalen Gesundheitszusammenarbeit, der im Rahmen multilateraler, entwicklungspolitischer und Multi-Akteurs-Partnerschaften zwei Jahrzehnte lang verfolgt wurde. Mit dem GHD-Modell können wir schließlich feststellen, dass wir es in den heutigen außenpolitischen Beziehungen nicht mit einer transformativen globalen Gesundheitsrevolution oder einer Regression im Hinblick auf die Ergebnisse und Kooperation in der globalen Gesundheit, sondern eher mit einer Art Verschiebung der Schwerpunkte im Bereich globale Gesundheit zu tun haben.

Zusammengefasst lässt sich sagen, dass Aspekte der Zusammenarbeit, die bislang eher Fragen der Ethik, der Gesundheitsgerechtigkeit und der Entwicklung im Fokus hatten und sicherlich noch immer vorhanden sind, Sicherheits-, Wirtschafts- und Handelsinteressen weichen müssen. Es gibt eine klare Diskrepanz zwischen den ambitionierten, in der deutschen Strategie für globale Gesundheit formulierten Zielen und deren tatsächlicher Umsetzung. Die hier aufgeführten Beispiele belegen, dass der in den Jahren 1995–2015 stärker entwicklungs- und bildungspolitisch ausgerichtete Ansatz, der auf eine Stärkung der Gesundheitssysteme setzte und von Programmen zu sexuellen und reproduktiven Rechten flankiert wurde, in der deutsch-afrikanischen Gesundheitszusammenarbeit angesichts sicherheitspolitischer und wirtschaftlicher Interessen nunmehr als zweitrangig gilt.

Nach der Ebola-Epidemie in Westafrika (2014–2016) gewannen Programme zur Gesundheitssicherheit, wozu auch Ansätze für eine stärkere Resilienz von Gesundheitssystemen gehören, enorm an Bedeutung. Wie oben bereits ausgeführt, ist diese Politik der Versicherheitlichung nach dem Impuls aus der Coronapandemie zum dominanten Modell der Zusammenarbeit im globalen Gesundheitsbereich geworden, etwa in Form von Ansätzen wie „Eine Gesundheit“. Wie stark diese Wirtschafts- und Handelsinteressen sind, lässt sich an der ungleichen Verteilung des Covid-19-Impfstoffes ablesen. Dazu gehören auch die zögerlichen Reformen der Regeln der Welthandelsorganisation zum geistigen Eigentum hinsichtlich der Forschung und Entwicklung im biomedizinischen Bereich (eine begrenzte Aussetzung von Patenten für Impfstoffe) sowie die Einschränkungen, denen die regionale Produktion medizinischer Produkte in Afrika unterlegen ist. Die Bundesregierung hat ebenso wie die EU insgesamt bewiesen, dass sie bereit ist, diesen Wirtschafts- und Handelsinteressen Vorrang vor den Public-Health-Bedürfnissen anderer Teile der Welt zu geben, einschließlich Subsahara-Afrika. Während die Bundesregierung darauf abzielt, einen verantwortlichen und effektiven Gesundheitsmultilateralismus mit der WHO an der Spitze zu fördern, ist sie gleichzeitig gefordert, Vertrauen wiederherzustellen und eine respektvolle Partnerschaft mit der AU und den afrikanischen Regierungen zu etablieren, um gemeinsam die globale Gesundheitsarchitektur und ihre Führungsstruktur zu stärken. 

Schlussfolgerungen: Transformation zu einer wechselseitigen und dekolonialen Denkweise?

Mit dem vorliegenden Beitrag wird aufgezeigt, dass es trotz gemeinsamer deutsch-afrikanischer Sicherheitsinteressen und Zusammenarbeit im Gesundheitsbereich auch abweichende Positionen und Auseinandersetzungen darüber gibt, welche Art von Sicherheitsrisiken prioritär zu behandeln sind. Wird es eher um einen eng gefassten Fokus auf den Umgang mit Gesundheitsrisiken und Belange wie „Eine Gesundheit“ gehen, oder ist eine Zusammenarbeit – auch im Sinne der benötigten Finanzmittel – möglich, die weiter gefasste menschliche Sicherheitsinteressen wie eine soziale Absicherung oder die Bewahrung der ökologischen Vielfalt und anderer globaler öffentlicher Güter abdeckt? Ist ein Dialog über fairere und stärker wechselseitige Handelsbeziehungen auf den Gebieten des geistigen Eigentums und des Zugangs zu medizinischen Produkten zwischen Afrika und Europa möglich? Kurzum, wird es möglich sein, die diplomatischen Beziehungen zwischen Afrika und der EU im globalen Gesundheitsbereich derart weiterzuentwickeln, dass sie würdige und ausgeglichene Beziehungen ermöglichen? Nach seiner Ankunft in Berlin im Oktober 2022, auf dem Weg zum Weltgesundheitsgipfel (World Health Summit, WHS), verfasste der Interimsdirektor von Africa CDC, Dr. Ahmed Ogwell, folgenden Tweet: „Die Grenzbeamten am Frankfurter Flughafen haben mich drangsaliert, wahrscheinlich, weil sie dachten, dass ich illegal im Land bleiben möchte. Meine Teilnahme am WHS ist nunmehr ungewiss. Ich bin glücklicher & sicherer zu Hause in Afrika. Zuerst laden sie dich ein, dann drangsalieren sie dich.“

Dieser diplomatische Zwischenfall zeigt, dass ein neuer Ansatz bei der Weiterentwicklung der AU-EU-Kooperation im Gesundheitsbereich vonnöten ist. Es braucht viel mehr als nur kosmetische Anpassungen und eine symbolische Teilnahme an globalen Gesundheitspartnerschaften. Es braucht Bescheidenheit und Respekt für Sichtweisen, die nach Autonomie und historischer Gerechtigkeit streben, um eine neue afrikanische öffentliche Gesundheitsordnung zu entwickeln. Diese Ordnung sollte ein neues politisch-ökonomisches, finanzielles Modell beinhalten, das den Ansatz einer geteilten Verantwortung widerspiegelt. Im Bereich der Klima- und Umwelt-Governance ist eine solche ehrgeizige Initiative der Bridgetown-Plan. Dieser Plan, der die Schaffung eines neuen Globalen Treuhandfonds zur Eindämmung des Klimawandels vorsieht, finanziert aus Mitteln des Sonderziehungsrechts des Internationalen Währungsfonds, geht auf die die Premierministerin von Barbados, Mia Mottley, zurück. Solche transformativen Finanzierungskonzepte könnten wegweisend für andere Vorschläge im Bereich der Finanzierung transnationaler Gesundheit und sozialer Absicherung sein. Ihnen kommt eine essenzielle Bedeutung zu, wenn es um die Finanzierung globaler öffentlicher Güter geht. Diese wiederum werden dringend für die Eindämmung epidemischer und klimabezogener Risiken benötigt, die in nächster Zeit drohen und die ihre Wirkung zuallererst in fragilen und verarmten Gegenden in Subsahara-Afrika sowie anderen Teilen der Welt entfalten werden.

Als Menschheit teilen wir ein gemeinsames Schicksal auf diesem Planeten, dessen ökologisches Gleichgewicht in Gefahr ist. Daher ist es unabdinglich, dass sich sowohl die europäischen als auch die afrikanischen Staaten zu den Prinzipien von Solidarität, Klima- und Gesundheitsgerechtigkeit verpflichten und entsprechend politisch handeln.

Über den Autor
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Dr. Remco van de Pas ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Centre for Planetary Health Policy (CPHP). Seine Forschungs- und Lehrtätigkeiten konzentrieren sich auf planetare und globale Gesundheitsgovernance, ihre politische Ökonomie und Außenpolitik mit besonderem Augenmerk auf die Stärkung der Gesundheitssysteme, die Finanzierung des Gesundheitswesens und die Beschäftigung von Arbeitskräften, die Versorgungsökonomie, die sozio-ökologischen Einflussfaktoren der Gesundheit, die Funktionen des öffentlichen Gesundheitswesens, die Globalisierung und ihre Auswirkungen auf Gerechtigkeit.

APRI als Institution äußert sich nicht zu politischen Fragen. Die in den Veröffentlichungen zum Ausdruck gebrachten Ansichten sind die der Autor*innen und spiegeln nicht unbedingt die Ansichten von APRI, seiner Mitarbeitenden oder seines Vorstands wider.

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