Die Einführung einer feministischen Entwicklungspolitik als Teil der neuen feministischen Außenpolitik der Bundesregierung kann zu einer positiven Neuausrichtung der deutsch-afrikanischen Beziehungen beitragen. Dieser Wandel wird jedoch davon abhängen, ob es gelingt, die Außenpolitik ganzheitlich an feministischen Ansätzen zu orientieren, um die Folgen von Rassismus und Kolonialismus ebenso in den Fokus zu nehmen wie die Ungleichheit der Geschlechter.

Deutsche feministische Außenpolitik: Auswirkungen für Afrika
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DOI: https://doi.org/10.59184/sa.de05

Dieser Artikel ist Teil der Reihe „Deutschlands Afrikapolitik“. Die Reihe wird herausgegeben von und Dr. Melanie Müller and Dr. Olumide Abimbola.

Zusammenfassung
  • Die deutsche Außenpolitik ist in stetigem Wandel, insbesondere in Bezug auf Afrika.
  • Dieser Wandel lässt sich auch in der neuen Afrika-Strategie des BMZ erkennen.
  • Die Afrika-Strategie des BMZ ist der erste konkrete Ausdruck der neuen feministischen Außenpolitik der Ampelkoalition auf dem Gebiet der internationalen Entwicklungszusammenarbeit.
  • Der vorliegende Ansatz weist jedoch noch einige blinde Flecken auf, die es zu bearbeiten gilt.
  • In der Gesamtbetrachtung verspricht dieser Ansatz zu einer feministisch orientierten Außenpolitik positive Impulse für die weitere Entwicklung der deutsch-afrikanischen Beziehungen.
Einführung

In den letzten zehn Jahren hat die Bundesregierung regelmäßig den Wunsch geäußert, ihren Ansatz in der Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika neu auszurichten. Was jedoch ist der Ausgangspunkt für einen solchen Wandel und – in Anbetracht der unterschiedlichen Ansätze in den Ministerien – worauf zielt er genau ab? Auf diese Fragen braucht es dringend Antworten, insbesondere heutzutage. Einerseits hat sich die Bundesregierung einer „feministischen“ Außenpolitik verschrieben. Das Auswärtige Amt (AA) hat Richtlinien für eine feministische Außenpolitik veröffentlicht und das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) hat eine feministische Strategie für die internationale Entwicklungszusammenarbeit sowie eine positive und transformative Beziehung mit dem afrikanischen Kontinent vorgelegt. Andererseits jedoch hat sich die Europäische Union (EU), in der Deutschland eine zentrale Führungsrolle einnimmt, mit der jüngst verabschiedeten Global-Gateway-Initiative zu einer pragmatischeren Geopolitik bekannt, die Zweifel an diesem feministischen Versprechen aufkommen lässt.

Wie an der neuen Afrika-Strategie des BMZ abzulesen ist, scheint es mit der neuen Mitte-Links-Regierung eine neue Ausrichtung der Außenpolitik zu geben. Damit gesellt sich Deutschland zu einer Reihe weiterer Länder, die bereits eine feministische Außenpolitik anstreben. In diesem Kurzdossier soll beleuchtet werden, inwiefern dieser Schritt einen echten Wandel in der deutschen Außenpolitik bedeutet und welche Auswirkungen für Afrika, auch angesichts der neuen BMZ-Strategie, zu erwarten sind.

Die Geschichte der deutschen Außenpolitik in Bezug auf Afrika

Viele moderne Untersuchungen lassen die deutsche Kolonialgeschichte auf dem Kontinent lieber unter den Tisch fallen, schließlich sei der deutsche Kolonialismus in Afrika – verglichen mit dem Frankreichs oder Großbritanniens – relativ marginal gewesen. Die deutsche Außenpolitik in Bezug auf Afrika lässt sich jedoch nicht losgelöst davon betrachten. Denn genauso wie andere Kolonialmächte auch, etablierte das Deutsche Reich Regime der Zwangsarbeit, Enteignung und kulturellen Assimilation, Praktiken also, die in einem Genozid mündeten. Nach dem Ersten Weltkrieg verlor das Deutsche Reich seine Kolonien und damit einen Großteil seines Einflusses auf dem Kontinent.

Während des Kalten Kriegs bestimmte der Konflikt zwischen dem Westen und der Sowjetunion die Leitlinien der deutschen Außenpolitik. Denn während Ostdeutschland generell dem sowjetischen Ansatz einer Unterstützung antikolonialer und Anti-Apartheid-Bewegungen in Afrika folgte, orientierte sich die Politik Westdeutschlands stärker an den Interessen anderer westlicher Staaten, insbesondere bezogen auf deren antikommunistische Haltung. Ihr Augenmerk war hauptsächlich darauf gerichtet, afrikanischen Staaten wirtschaftliche und technische Unterstützung anzubieten und Entwicklungshilfe zu leisten, die zu wirtschaftlichem Wachstum und politischer Stabilität beitragen sollte. Insgesamt lässt sich für die Zeit des Kalten Kriegs also sagen, dass Deutschlands außenpolitische Haltung gegenüber Afrika, sei es auf Seiten der DDR oder der BRD, von den breiter wirkenden Dynamiken der globalen Politik diktiert wurde.

Vor dem Hintergrund dieser Geschichte begann sich die deutsche Herangehensweise an Afrika vor beinahe einem Jahrzehnt allmählich zu verändern. Diese Entwicklung fand jedoch nicht in einem luftleeren Raum statt, sondern wurde von unterschiedlichsten Faktoren im internationalen Gefüge beeinflusst: dem wachsenden afrikanischen Selbstbewusstsein, der deutschen Mitgliedschaft in der EU sowie dem Wunsch, neuen Mächten wie China und Russland etwas entgegenzusetzen. Stimmen, die sich in diesem Rahmen für einen Wandel aussprechen, sind insbesondere seit 2014 stetig lauter geworden. Diesem Streben nach Veränderung liegt der Wunsch nach einem umfassenderen Ansatz für die Beziehungen mit Afrika zugrunde.

So verpflichtete sich beispielsweise der damalige deutsche Außenminister Steinmeier im Zuge seines Besuchs der Afrikanischen Union (AU) 2014, die Bemühungen um eine afrikanische Friedens- und Sicherheitsarchitektur auf regionaler wie auf kontinentaler Ebene zu unterstützen. Dieser Verpflichtung kam Deutschland in Form von Ausbildungsmissionen und finanzieller Unterstützung nach. Auch in den darauffolgenden Jahren stand Afrika durchweg im Fokus der deutschen Außen- und Entwicklungspolitik. So machte die damalige Bundeskanzlerin Angela Merkel während ihrer letzten Amtsjahre den afrikanischen Kontinent zu einem ihrer Schwerpunkte, so auch während des deutschen G20-Vorsitzes 2017. Dieses Interesse ist von zahlreichen Faktoren befördert worden, nicht zuletzt durch die sogenannte Migrationskrise.

Im Jahr 2019 veröffentlichte das Auswärtige Amt eine Aktualisierung seiner Leitlinien von 2014. In der 2019 beschlossenen vertieften Partnerschaft mit Afrika wurden Bereiche identifiziert, die für afrikanische Staaten im breiteren Kontext der deutschen EU-Mitgliedschaft von Bedeutung sind. In gewisser Weise hat sich die aktuelle Regierung verpflichtet, die Afrika-Politik ihrer Vorgängerin fortzuführen und ihre Beziehungen zum Kontinent zu vertiefen. Beispielsweise hat sich die Bundesregierung früh zur Afrikanischen Freihandelszone AfCFTA (African Continental Free Trade Area) bekannt, einem Leuchtturmprojekt der AU, das für einen spürbaren Anstieg des intraafrikanischen Handels sorgen soll. Das AfCFTA-Unterstützungsprogramm der GIZ zeigt beispielhaft das deutsche Engagement für afrikanisch geführte Initiativen.

Am Handelsschwerpunkt ebenso wie an der Einführung der „Compact with Africa“-Initiative im Rahmen der G20 lässt sich aber auch ablesen, dass die deutsche Unterstützung dem zusätzlichen Zweck dient, das Investitionsrisiko für deutsche Unternehmen in Afrika zu mindern. Viele der politischen Veränderungen auf der deutschen Seite sind, zu einem gewissen Grad, eine Reaktion auf die zunehmende Eigeninitiative afrikanischer Entscheidungsträger*innen auf der weltpolitischen Bühne. Darüber hinaus ist Deutschland bestrebt, vergangenes Unrecht wiedergutzumachen, etwa durch die Anerkennung des Genozids an den Völkern der Herero und Nama im heutigen Namibia – ein Schritt, der auch einen Weg zur Aussöhnung ebnen soll, wobei die Legitimität dieser Initiative stark in Frage gestellt worden ist.

In den letzten Jahren war Deutschland bestrebt, den Schwerpunkt seiner internationalen Entwicklungszusammenarbeit auf neue Bereiche zu legen, insbesondere rund ums Thema Klimawandel. So entstanden Initiativen zur Finanzierung von Klimaversicherungen gegen Katastrophen auf dem Kontinent. Zudem erfolgte eine allgemeine Unterstützung afrikanischer Staaten über die Afrikanische Entwicklungsbank. Die jüngst von Deutschland ausgehende Unterstützung für Klimaschutzmaßnahmen in Afrika greift bereits in Teilen die Kritik auf, die Akteur*innen aus dem Globalen Norden vorwirft, diese würden sich nicht in ausreichendem Maße ihrer globalen Verantwortung fürs Klima stellen.

Im Jahr 2017 verabschiedete das BMZ eine neue Afrika-Strategie, den sogenannten Marshallplan mit Afrika, mit Schwerpunkt auf den Bereichen Frieden und Entwicklungszusammenarbeit. Getragen wurde diese Strategie von der Idee, dass die Zukunft Europas und Afrikas miteinander verknüpft sind. Bei der anvisierten Vertiefung der Beziehungen zu afrikanischen Ländern stand die europäische Identität Deutschlands im Mittelpunkt. Diskursiv betrachtet war dieser Ansatz offenbar ein Versuch, die historisch von einer Quid-pro-quo-Beziehung geprägte Entwicklungshilfe auf dem Kontinent durch eine Haltung abzulösen, die afrikanische Staaten als Partner in der Entwicklungszusammenarbeit akzeptiert.

Als Konzept wurde der „Marshallplan mit Afrika“ allerdings aufgegeben und durch eine andere Strategie ersetzt. Die im Januar 2023 veröffentlichte Afrika-Strategie des BMZ, Gemeinsam mit Afrika Zukunft gestalten, definiert neue Prioritäten, die die deutsch-afrikanischen Beziehungen auf dem Gebiet der Entwicklungszusammenarbeit zukunftsfähig machen sollen. Bei dieser neuen Strategie fallen drei Dimensionen ins Auge: Erstens richtet sie sich an der afrikanischen Blaupause für Entwicklung, der Agenda 2063, aus und folgt damit bei der Festsetzung politischer Prioritäten afrikanischen Vorstellungen. Zweitens wird diese Haltung, Impulse aus Afrika aufzugreifen und eine gleichberechtigtere Zusammenarbeit anzustreben, durch Formulierungen untermauert, die – offenbar in Abkehr von einer Politik einseitiger Beschlüsse – das Thema Solidarität in den Fokus rücken. Drittens kehrt die Strategie zu einer Form der Entwicklungsarbeit zurück, die sich den Leitlinien der nachhaltigen Entwicklungsziele (SDGs) verpflichtet fühlt, die von den afrikanischen Staaten ebenfalls mitgetragen werden.

Wo und auf welche Weise kommt hier eine feministische Außenpolitik ins Spiel?

Wie viele andere europäische Staaten hat sich auch Deutschland zu einer feministischen Außenpolitik bekannt. Grundlage dafür waren der Vorschlag für eine feministische Entwicklungspolitik sowie die vom Auswärtigen Amt herausgegebenen Leitlinien für eine feministische Außenpolitik. Wie in anderen Ländern soll auch diese Variante einer feministischen Außenpolitik das Thema der Geschlechterungleichheit auf der internationalen Bühne angehen. Dem Kampf gegen die Geschlechterungleichheit wird damit eine hohe Priorität beigemessen, die bereits in anderen global anerkannten und von Deutschland aktiv mitgetragenen Richtlinien und normativen Rahmen festgeschrieben ist, wie etwa den SDGs oder der Agenda „Frauen, Frieden und Sicherheit“ der Vereinten Nationen. Mit ihrer feministischen Orientierung möchte die Bundesregierung das Thema Menschenrechte stärker als einen ihrer außenpolitischen Leitwerte verankern.

Der Zusatz „feministisch“ als Teil einer neuen deutschen Außenpolitik signalisiert gewiss eine normative Verschiebung. Auf einer ganz grundsätzlichen Ebene zeigt diese Schwerpunktsetzung, dass ein Staat das Thema Geschlechtergerechtigkeit als Teil der internationalen Beziehungen verankern will. Allerdings setzt sich Deutschland bereits jetzt für eine gendergerechte Programmplanung bei der Entwicklungszusammenarbeit ein. Eine feministisch ausgerichtete Außenpolitik umfasst weit mehr als nur die Förderung einer praktischen Anwendung von Geschlechtergerechtigkeit als Querschnittsthema. Im Prinzip fordert sie von Staaten, feministische Ansätze in allen Bereichen der Außenpolitik wirksam werden zu lassen: Verteidigung, Sicherheit, Migration, Handel, Bekämpfung des Klimawandels sowie in weiteren Feldern der internationalen Beziehungen. Ein feministischer Ethos sollte dazu aufrufen, mit dem Status quo zu brechen und einen Wandel in den aktuellen außenpolitischen Modellen anzustoßen. In Deutschland wurde diese Strategie als Ausbildung eines „feministischen Reflexes“ bezeichnet.

Zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich für eine bewusste Berücksichtigung feministischer Ansätze in den internationalen Beziehungen einsetzen, hatten deren Umsetzung bislang hauptsächlich in „soften“ Bereichen wie der internationalen Entwicklungszusammenarbeit gefordert – Felder also, in denen ein Wandel als vergleichsweise einfach zu bewerkstelligen gilt. Deutschland scheint bei seiner Afrika-Strategie diesen Weg beschritten zu haben. Anstatt einen vollständig ausgearbeiteten außenpolitischen Ansatz vorzulegen, folgt die Bundesrepublik eher dem kanadischen Beispiel einer Politik der feministischen internationalen Unterstützung. Und dennoch ist der europäische Einfluss nicht zu übersehen, schließlich folgen die Prioritäten des Ansatzes jenen, die die schwedische Variante mit ihren 3 Rs vorgegeben hat – Rechte, Repräsentation und Ressourcen. Ungeachtet der jüngst veröffentlichten Leitlinien stellt die deutsche Variante einer feministischen Außenpolitik in der Praxis bislang eher eine Absichtserklärung dar.

Trotz möglicher Widersprüche in der Praxis stellt das Bekenntnis zu einer feministisch orientierten Außenpolitik auch die Gelegenheit dar, die Gestaltung internationaler Beziehungen um eine weitere Dimension zu erweitern, nämlich um das Thema der Wiedergutmachung und Aufarbeitung. Antirassismus und Antikolonialismus sind hier als Kernwerte zu benennen. Die fehlende Berücksichtigung der Kategorie „Race“ sowie die Tatsache, dass die Praktiken einer (feministischen) Außenpolitik oftmals Hierarchien in Bezug auf diese Kategorie verstärken, sind Belege für gewisse blinde Flecken, die nach wie vor bestehen. In den Leitlinien wird Rassismus nur einmal erwähnt, und zwar bezogen auf die Erfahrungen von Diplomats of Color, nicht jedoch im Zusammenhang mit der kolonialen Vergangenheit des Landes, die vier Mal zur Sprache kommt.

Und gerade deshalb, weil die Aufnahme einer feministischen Außenpolitik eine wichtige Gelegenheit für Deutschland darstellt, seine außenpolitische Praxis im Rahmen einer dynamischen Beziehung zwischen dem Globalen Norden und dem Globalen Süden neu auszuloten, ist es von zentraler Bedeutung, sich dabei auch der Kategorien „Race“ und Rassismus anzunehmen. Die in den internationalen Beziehungen zur Anwendung kommenden Techniken und Praktiken waren den am stärksten marginalisierten Staaten in der globalen Hierarchie bei weitem nicht immer zum Vorteil. In der neuen Afrika-Strategie werden eine feministische Entwicklungspolitik sowie Geschlechtergerechtigkeit als Fokusbereiche der Entwicklungszusammenarbeit hervorgehoben. Mit Blick auf die Umsetzung dieser neuen Strategie stellt sich die Frage, was eine feministische Außenpolitik für das deutsche Engagement in Afrika bedeuten mag.

Eine feministische Außenpolitik in Deutschland im Sinne Afrikas

Das Erste, das bei einer näheren Betrachtung des deutschen Ansatzes einer feministischen Außenpolitik gegenüber Afrika – mit seinem Fokus auf den Bereich der internationalen Entwicklungszusammenarbeit – ins Auge fällt, ist eine gewisse Inkohärenz. Auf der einen Seite wird sehr viel Wert auf eine Haltung gegenüber Afrika gelegt, in deren Mittelpunkt  „Respekt und Reziprozität, Werte und Interessen, feministische Entwicklungspolitik“ stehen. Das Framing vermittelt, dass es bei der gesamten Strategie um das Thema Entwicklung geht. Ein tieferer Blick offenbart jedoch zudem, dass die deutsche feministische Entwicklungspolitik ausschließlich auf einer Achse der Entwicklungszusammenarbeit beruht: dem Wunsch, eine gendergerechte Programmplanung voranzutreiben, ohne auf umfassendere außenpolitische Ansätze gegenüber dem Kontinent einzugehen. So gesehen gibt es kein feministisches Streben, das alle anderen Fokusbereiche einbezieht: eine nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung, Beschäftigung und Schaffung von Wohlstand; die Überwindung von Armut und Hunger sowie der Aufbau sozialer Sicherungssysteme; Gesundheit und Pandemievorsorge; Rechtsstaatlichkeit, Demokratie, Menschenrechte und gute Regierungsführung sowie Frieden und Sicherheit. Damit lässt sich dieser Ansatz sicherlich nicht als ganzheitliche außenpolitische Strategie begreifen. Er ist jedoch insofern ehrlich, als dass die Zielsetzungen bis zu einem gewissen Punkt auch die Erwartungen bestimmen.

Der deutsche Ansatz für eine feministische Entwicklungszusammenarbeit sticht jedoch auch durch ambitionierte normative Bestrebungen hervor:

[Er] hat das Ziel, strukturelle Ungleichheiten, Ungleichbehandlung und Diskriminierung langfristig zu beseitigen. Dazu gehört auch, rassistische Strukturen und postkoloniale Kontinuitäten zu vermeiden und sich für marginalisierte Gruppen wie Menschen mit Behinderungen, Indigene oder LGBTQI* und ihre Rechte einzusetzen (S. 9).

Damit rückt der Ansatz einen der bisherigen blinden Flecke der feministischen Außenpolitik in den Fokus: die Bekämpfung struktureller Ungleichheiten, die zur Aufrechterhaltung bestehender Hierarchien im heutigen internationalen System beigetragen haben, konkret des Rassismus und der kolonialen Kontinuitäten. Der Umgang mit diesen Ungleichheiten ist von besonderer Bedeutung, wenn es um den Aufbau solidarischer und partnerschaftlicher Beziehungen geht sowie in Bezug auf die Frage, wie Deutschland mit Afrika und afrikanischen Menschen in Kontakt tritt – eine Position, die auch von der neuen Bundesregierung betont wird.

Auf einer konkreten Ebene steht Deutschlands Herangehensweise für eine größere Handlungsfähigkeit für jene Empfänger*innen und Zielgruppen dieser feministischen Entwicklungspolitik ein, indem die Ziele der deutschen Strategie den afrikanischen Prioritäten der Agenda 2063 angepasst werden. Auf der diskursiven Ebene wiederum ist dieser Versuch, die Beziehungen mit Afrika vermittels einer feministischen Entwicklungspolitik neu auszurichten, aktiv bestrebt, die üblicherweise ausbeuterische Natur der Praxis im Entwicklungssektor zu überwinden.

Dessen ungeachtet scheint sich der feministische Impuls nicht auf die Bereiche außerhalb der Entwicklungszusammenarbeit zu übertragen. Dieses Versäumnis kann als Kompromiss interpretiert werden, mit dem versucht werden soll, Erwartungen auf beiden Seiten Rechnung zu tragen. Zwar hat das Konzept einer feministischen Außenpolitik inzwischen auch in Ländern außerhalb Europas Eingang gefunden, etwa in Nord- und Südamerika. In Afrika jedoch hat sich bislang – trotz weitreichender Geschlechterungleichheiten und entsprechender Advocacy-Arbeit für mehr Gleichstellung – kein Land der Idee wirklich angenommen (bis auf Libyen). Natürlich gibt es zahlreiche feministische Organisationen, die ihre Regierungen dazu auffordern, ihre innen- und außenpolitischen Beziehungen feministischer auszurichten. Doch noch hat der Feminismus kein derartiges Gewicht, was entweder auf Vorbehalte oder gar eine klare Ablehnung des Konzepts schließen lässt. In Deutschland wiederum erhöht die Vernachlässigung des Feminismus in anderen Schwerpunktbereichen der Entwicklungszusammenarbeit  die Risiken inkohärenter politischer Ansätze und die Gefahr der Politikkohärenz und gefährdet potenzielle Erfolgen einer FFP-Orientierung, die strukturelle Barrieren für eine substanzielle Partnerschaft zwischen Deutschland und afrikanischen Ländern abbauen sollen. 

Um möglichst weitreichende Vorteile aus dieser politischen Dynamik (der feministischen Haltung) zu ziehen und den Feminismus als Impulsgeberin für eine antirassistische, fairere und gerechtere Zusammenarbeit mit Afrika (und afrikanischen Partner*innen) zu nutzen, sollte Deutschland seine Außenpolitik sehr viel stärker und im Grundsatz am Feminismus ausrichten. Die bestehenden Leitlinien bieten eine gute Basis hierfür, die deutsch-afrikanischen Beziehungen dürfen jedoch nicht auf das Thema Entwicklungszusammenarbeit beschränkt bleiben. Es gibt zahlreiche Wege, um mittels eines ganzheitlichen feministischen Ansatzes in der deutschen Außenpolitik positive Impulse für beide Seiten zu setzen, insbesondere für Afrika.

Zum Thema Frieden, Sicherheit & Verteidigung: Im Gegensatz zur neuen Afrika-Strategie des BMZ behandeln die Leitlinien für eine feministische Außenpolitik dezidiert den Bereich Frieden, Sicherheit und Verteidigung, ein Bereich, der im weiteren Kontext von Deutschlands Zusammenarbeit mit Afrika umso bedeutsamer ist: Denn es braucht mehr Unterstützung für afrikanische Initiativen, insbesondere aus der Zivilgesellschaft, um gewaltsame Konflikte undMikrokonflikte zu lösen, da diese häufig die Marginalisierung von Frauen und der LGBTQ+-Community verschärfen. Obgleich Konflikte bestehende Genderstrukturen durcheinander bringen, führen sie oftmals auch dazu, dass zutiefst patriarchale Normen und Praktiken wieder Einzug erhalten. In diesem Sinne muss Unterstützung für Afrika im Bereich Frieden und Sicherheit bestrebt sein, vergeschlechtlichte Hierarchien abzubauen.

Die Afrika-Strategie verpflichtet sich bereits zur fortgesetzten Unterstützung für afrikanische Initiativen wie FemWise-Africa, dem Netzwerk für afrikanische Frauen im Bereich Konfliktprävention und -mediation. FemWise hat sich das Ziel gesetzt, die Rolle von Frauen in Friedensprozessen zu stärken und gleichzeitig die Bedeutung von friedlichen Mitteln zur Konfliktbeilegung zu unterstreichen. Beim Rückgriff auf Erfahrungen aus der Community-Mediation stehen Praktiken von unten im Fokus. Das ist eine gute Grundlage. Wichtiger noch ist allerdings, Initiativen jenseits dieser formalen Strukturen zu fördern und ein allzu enges Verständnis der Ursachen für die Unsicherheit auf dem Kontinent abzulegen. Wie in vielen Ländern gehören auch in Afrika queere Menschen zu den gefährdetsten und marginalisiertesten Bevölkerungsgruppen. Darüber hinaus sträuben sich afrikanische Entscheidungsträger*innen bislang, die Menschenrechte dieser marginalisierten Bevölkerungsgruppen zu gewährleisten, obgleich sie sich der Gendergleichstellung und dem Empowerment von Frauen verschrieben haben. Feministisch ausgerichtete zivilgesellschaftliche Gruppen sind jedoch in der Lage, solche schwer erreichbaren Communitys auf lokaler Ebene konkret zu unterstützen.

Entsprechend kommt der Unterstützung feministischer Organisationen eine zentrale Rolle zu, wenn es um die Erfüllung der Sicherheitsbedürfnisse marginalisierter Afrikaner*innen geht. Mithilfe von Ansätzen, die die Zivilgesellschaft mit ins Boot holen und ihre Unterstützung würdigen, kann eine feministisch orientierte Friedens- und Sicherheitspolitik gegenüber Afrika Alternativen umsetzen, die Frieden und Gerechtigkeit langfristig sichern und damit die deutsche Außenpolitik davor bewahren, zu einer Politik der eskalierenden Gewalt in Afrika beizutragen. 

Zum Thema Wirtschaft/Handel: Nachhaltige wirtschaftliche Entwicklung, Armutsbekämpfung und der Aufbau sozialer Sicherung sind wichtige Grundpfeiler der neuen Afrika-Strategie des BMZ. Und auf den ersten Blick stehen diese Ziele auch im Einklang mit jüngst laut gewordenen Forderungen nach einer stärker feministisch orientierten Wirtschaftspolitik in der Post-Covid-Ära. Auch hier ist der deutsche Ansatz auf den ersten Blick von einer feministischen Haltung geprägt.

Ein wichtiger Aspekt der feministischen Wirtschaftsanalyse ist allerdings der Blick auf die Care-Arbeit. Dieser feministische Blickwinkel macht deutlich, dass die als wesentlich verstandenen Wirtschaftsaktivitäten in Wirklichkeit auf unsichtbaren und oftmals unbezahlten Tätigkeiten basieren – auf Care-Arbeit, einer Form von Arbeit, die zumeist von Frauen, insbesondere von von Armut betroffenen Frauen, geleistet wird.

Die Fragen, die sich aus der Analyse der Care-Arbeit ergeben, finden jedoch weder in der neuen Afrika-Strategie des BMZ noch in den Leitlinien des Auswärtigen Amtes Berücksichtigung. Und das, obwohl sie von essenzieller Bedeutung sind, wenn es um den Aufbau gerechter sozialer Sicherungssysteme geht. Stattdessen spricht sich die Afrika-Strategie für die Förderung anderer Formen der Ökonomie aus, wie die Kreislaufwirtschaft, die digitale Wirtschaft und die grüne Wirtschaft. Die Integration dieser Wirtschaftsformen kann gewiss zu einer breiteren Teilhabe, auch von Frauen, führen, sie ändert jedoch nichts an bestehenden strukturellen Ungleichheiten. Frauen in ein ungleiches System zu integrieren, trägt nicht dazu bei, die grundsätzlichen Fehler im System zu beheben. Folglich sollte ein feministischer Wirtschaftsansatz substanzielleren Wandel anstoßen als das grundsätzliche Empowerment von Frauen. Im Kontext der Afrika-Strategie sollten wirtschaftliche Unterstützungsmaßnahmen im Rahmen einer deutschen feministischen Außenpolitik die Care-Arbeit ins Zentrum ihrer Ambitionen zum Aufbau sozialer Sicherungssysteme stellen.

Zum Thema Klimawandel: Ohne Ausblick auf eine Zukunft kann es keine Gerechtigkeit geben. Es ist begrüßenswert, dass der Klimawandel in der Afrika-Strategie ebenso wie im weiter gefassten Ansatz einer feministischen Außenpolitik Deutschlands eine hohe Priorität genießt. Lange Zeit haben die Länder des Globalen Nordens, darunter auch Deutschland, in ihrem Bestreben, beim Thema Klimawandel mit Regionen im Globalen Süden zusammenzuarbeiten, das den Klimadebatten inhärente Ungleichgewicht außer Acht gelassen. Während reiche Länder, wie etwa Deutschland, am meisten zum Klimawandel beitragen, sind es ärmere Länder, darunter viele in Afrika, die am stärksten von den Auswirkungen betroffen sind. Gleichzeitig ist es so, dass viele afrikanische Staatschef*innen von der eigenen Untätigkeit profitieren. Mit der neuen Afrika-Strategie des BMZ will Deutschland weitreichende Ambitionen afrikanischer Länder unterstützen, um die Katastrophe im Rahmen globaler Bemühungen abzuwenden.

Ein feministisch orientierter Ansatz zur Eindämmung des Klimawandels könnte auch von einer Bottom-Up-Herangehensweise profitieren, die indigenes Wissen und indigene Praktiken aktiv einbezieht. Doch während die BMZ-Strategie die Achtung und den Schutz indigener Rechte betont, ignoriert sie gleichzeitig den Beitrag indigener Gemeinschaften zum Klimaschutz ebenso wie ihre Prioritäten auf diesem Gebiet – und bleibt damit in einem Muster westlicher Ignoranz gefangen. Hier geriert sich der deutsche Staat als maskulinistischer Beschützer. Wie die Feministin Iris Young erläutert, „ist die Logik der maskulinistischen Schutzes bestrebt, dem Beschützer eine Position der Überlegenheit zuzuschreiben, während der Rest von uns in eine Position der dankbaren Abhängigkeit zurückversetzt wird“ (S. 13). Ansätze zu einem gerechten und feministischen ökologischen Wandel dürfen sich nicht in der bloßen Anerkennung marginalisierter Perspektiven erschöpfen – sie müssen aktiv darum bemüht sein, diese Perspektiven zu integrieren, um gemeinsam auf eine transformative Zukunft hinzuarbeiten.

Zum Thema Migration: In der neuen Afrika-Strategie des BMZ findet sich ein migrationspolitischer Ansatz, der weitaus gerechter und pragmatischer ausfällt als in den meisten anderen europäischen Ländern. In der Mehrzahl europäischer Staaten wird Migration hauptsächlich als Ausdruck einer Krise beschrieben, die katastrophale Folgen für die Aufnahmeländer hat. Diese Haltung diente in der Vergangenheit als Rechtfertigung für die schlechte Behandlung neu ankommender Migrant*innen, insbesondere rassifizierter Migrant*innen aus Afrika, der Golfregion und dem Maschrek-Raum. Doch wenn Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit, die als Konzepte im Zentrum des deutschen Ansatzes stehen und von entscheidender Bedeutung für eine feministische Außenpolitik sind, Sinn ergeben sollen, muss das Framing von Migration als Krise aufgelöst werden.

Wenn die Afrika-Strategie des BMZ im Umgang mit dem Thema Migration bereits einem feministischen Ansatz folgt, so ist die Bundesregierung auch auf EU-Ebene dazu aufgerufen, ihre Führungsrolle wahrzunehmen, um auch die übrigen Staaten zu einem ähnlichen Perspektivwechsel zu bewegen. Denn leider ist es heute allzu oft immer noch so, dass in politischen Narrativen und Maßnahmen migrantische Männer als gesellschaftliche Gefahr für die Aufnahmeländer dargestellt werden, während die Handlungsfähigkeit migrantischer Frauen häufig ignoriert wird. Gleichzeitig fehlen in den politischen Rahmenbedingungen Erwägungen zu überschneidenden und sich gegenseitig verstärkenden (intersektionalen) Gefährdungslagen aufgrund von Rassismus, Homo- oder Transfeindlichkeit. Vor diesem Hintergrund ist der Ansatz der BMZ-Strategie, die afrikanische Diaspora bei der Erarbeitung entsprechender Maßnahmen einzubeziehen, beispielhaft und sollte als Vorlage für die Erarbeitung migrationspolitischer Bestimmungen auf europäischer Ebene dienen. Allgemein gesprochen würde ein feministischer Ansatz dazu beitragen, die gender-spezifische und rassistische Natur der meisten migrationspolitischen Bestimmungen in Europa anzuerkennen und im Rahmen einer neuen außenpolitischen Praxis abzubauen.

Mit den oben angesprochenen Bereichen der Entwicklungszusammenarbeit werden die in der neuen Strategie behandelten Bereiche keineswegs vollständig abgedeckt. Dennoch machen sie stellvertretend deutlich, in welcher Weise ein feministisch geprägter Ansatz zur Ausgestaltung internationaler Beziehungen Deutschland dabei helfen kann, das transformative Potenzial deutsch-afrikanischer Beziehungen umzusetzen. 

Schlussfolgerungen

Der deutsche Vorstoß zu einer feministischen Außenpolitik über den Weg der Entwicklungspolitik wird in der neuen Afrika-Strategie des BMZ treffend zusammengefasst. Allerdings ist die Entwicklungspolitik nicht das einzige Feld der Zusammenarbeit mit Afrika, was sich auch an den weiter gefassten Leitlinien des Auswärtigen Amtes zur deutschen Afrika-Politik von 2014 und 2019 ablesen lässt. Und obgleich in der gesamten neuen Strategie eine feministische Haltung spürbar ist, fehlt doch eine systematische Anwendung auf alle politischen Bereiche gleichermaßen. Zusätzlich stellt sich die Frage der Kohärenz. Während in der Strategie Rassismus und koloniale Kontinuitäten zurecht als antithetisch zu einer feministisch ausgerichteten Entwicklungszusammenarbeit benannt werden, ist diese Haltung in den Leitlinien für eine feministische Außenpolitik weniger deutlich formuliert.

In diesem Kurzdossier wird der Frage nachgegangen, wie eine feministische Ausrichtung in der Entwicklungszusammenarbeit und anderen Themenfeldern auf unterschiedlichste Politikbereiche übertragen werden könnte – jenseits der Förderung von Geschlechtergerechtigkeit. Die Coronapandemie hat die Notwendigkeit unterstrichen, globale Ungleichheiten zu bekämpfen, gleichzeitig aber auch etablierte Bereiche der Entwicklungszusammenarbeit um neue Aufgaben ergänzt, wie etwa die globale Gesundheitsvorsorge. Wie die neue Afrika-Strategie belegt, hat Deutschland erkannt, dass die Beseitigung globaler geschlechtsspezifischer und rassifizierter Hierarchien – in der Breite als auch der Tiefe all ihrer Erscheinungsformen – die Voraussetzung für eine gute Entwicklungszusammenarbeit ist.

Diesem Anliegen auf umfassende Weise gerecht zu werden, dürfte aber nicht einfach sein, da ein solches Vorhaben die Fundamente des aktuellen Staatensystems und die darin eingeschriebenen politischen Praktiken in Frage stellt. Daneben muss Deutschland seine unterschiedlichen politischen Ansätze gegenüber Afrika – die Leitlinien von 2019 und die Afrika-Strategie von 2023 – in Einklang bringen und für eine Umsetzung im Rahmen einer feministischen Entwicklungspolitik und der Leitlinien für eine feministische Außenpolitik sorgen. Vorerst sollte ein feministisch ausgerichteter Ansatz für eine Entwicklungszusammenarbeit mit Afrika eher als Entwicklungsprozess, weniger als Ziel verstanden werden. In jedem Fall bietet eine feministische Orientierung Deutschland die nötige Ausgangslage, um den Prozess einer Neuausrichtung in Bezug auf Afrika anzustoßen.

Über den Autor
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Dr. Toni Haastrup ist Professorin für Internationale Politik an der Universität Stirling. In ihrer Forschung untersucht sie das Wesen globaler Machthierarchien zwischen dem globalen Norden und Süden. Ein Teil ihrer aktuellen Forschungsagenda stützt sich auf den kritischen Feminismus, um die außenpolitischen Praktiken beider Institutionen zu verstehen. Toni ist Absolventin der University of California, Davis (BA), der University of Cape Town (MA) und der University of Edinburgh (PhD).

APRI als Institution äußert sich nicht zu politischen Fragen. Die in den Veröffentlichungen zum Ausdruck gebrachten Ansichten sind die der Autor*innen und spiegeln nicht unbedingt die Ansichten von APRI, seiner Mitarbeitenden oder seines Vorstands wider.

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