Die deutsche Migrationspolitik in Afrika verspricht einen Paradigmenwechsel – der allerdings ohne große Wirkung bleibt und sich an alten Konzepten orientiert.

Die neue deutsche Migrationspolitik und ihre Auswirkungen auf afrikanische Partnerländer

Photo by Steffen Prößdorf via wikipedia, CC BY-SA 4.0

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Dieser Artikel ist Teil der Reihe „Deutschlands Afrikapolitik“. Die Reihe wird herausgegeben von Dr. Melanie Müller und Dr. Olumide Abimbola.

Zusammenfassung
  • Die neue Ampelkoalition hat einen „Paradigmenwechsel“ in der Migrationspolitik angekündigt und signalisiert damit ihre Ambitionen, Deutschland zu einem modernen Einwanderungsland zu machen. Der neue Ansatz sieht vor, mehr Fachkräfte nach Deutschland zu holen und die irreguläre Migration zu bremsen.
  • Die kürzlich erfolgte Ernennung eines Sonderbevollmächtigten für Migrationsabkommen ist ein Zeichen dafür, dass die Zusammenarbeit mit den Herkunftsländern von Migrant*innen im Zentrum der neuen deutschen Migrationspolitik steht.
  • Unklar ist jedoch, was der Paradigmenwechsel für die afrikanischen Partner mit sich bringt. Deutschland ist zwar offen für Verhandlungen über Visaerleichterungen und legale Wege für bestimmte Gruppen von Arbeitskräften, allerdings hat die Regierung auch deutlich gemacht, dass Migrationspartnerschaften beide Seiten involvieren müssen.
  • Die Regierung möchte die Zahl der Rückführungen erhöhen – ein Bereich, in dem die afrikanischen Partner oft nur zögerlich kooperieren. Es ist sehr wahrscheinlich, dass die afrikanischen Partner das Gespräch über die Rückführung dort fortsetzen müssen, wo es unter der vorherigen Bundesregierung zuletzt zum Stillstand gekommen ist. Es wird aber auch befürchtet, dass legale Wege nach Deutschland mit einer höheren Zahl an Rückführungen nach Afrika verbunden sein könnten.
  • Deutschland sollte klarer definieren, was die „neue“ Migrationspolitik für seine Partner bedeutet. Gleichzeitig sollten sich auch die afrikanischen Partner stärker positionieren, um den engen Spielraum, den die neue Koalition eröffnet, optimal zu nutzen.
Einführung

Die neue Ampelkoalition hat im Rahmen ihrer höchst ambitionierten Migrationspolitik einen „Paradigmenwechsel“ ebenso wie das Ziel angekündigt, Deutschland zu einem modernen Einwanderungsland zu machen. Sie will qualifizierten Arbeitskräften mehr Möglichkeiten bieten, nach Deutschland zu kommen, hier zu arbeiten und zu bleiben, und ihnen den Zugang zum Arbeitsmarkt erleichtern. Dazu will die Regierung bürokratische Hürden abbauen und den Zugang zu einer Aufenthaltsgenehmigung und Staatsbürgerschaft erleichtern, aber auch die Partnerschaften mit den Herkunftsländern von Migrant*innen ausbauen. Diese Ziele sind Teil der Mission des neu ernannten Sonderbevollmächtigten für Migrationsabkommen, Joachim Stamp, ein FDP-Politiker aus dem größten deutschen Bundesland, Nordrhein-Westfalen. Viele dieser Partnerstaaten liegen in Afrika. Ghana, Nigeria oder Marokko könnten dazugehören. Der angekündigte Paradigmenwechsel könnte für sie ein Signal sein, dass Deutschland bei seinen Gesprächen rund um das Thema Migration den Schwerpunkt von der Eindämmung der irregulären Migration hin zu anderen Themen verschiebt.

Auf dem Papier gibt es nur wenige Details darüber, was dieser Paradigmenwechsel für die Herkunftsländer der Migrant*innen bedeutet oder welche Länder Deutschland mit seiner Migrationspolitik in den Fokus nimmt. Infolgedessen hängen die Einzelheiten von der politischen Vision ab, die angesichts des breiten Spektrums der in der Koalition aus Sozialdemokrat*innen, Grünen und Liberalen vertretenen Ansichten schwer zu entschlüsseln ist. Bislang zeigt die politische Praxis jedoch, dass sich wenig geändert hat. Ein Beispiel dafür ist das kürzlich unterzeichnete Migrationsabkommen mit Indien, das als Vorlage für künftige Abkommen dienen soll und darauf abzielt, qualifizierten Fachkräften aus Indien die Mobilität zu erleichtern und gleichzeitig die Rückführung derjenigen zu beschleunigen, die in Deutschland keine Aufenthaltsgenehmigung haben. Ein weiteres Beispiel ist der Vorschlag des Sonderbevollmächtigten, Asylanträge in nordafrikanischen Ländern zu bearbeiten. Um den Paradigmenwechsel in die Realität umzusetzen, sollte die Bundesregierung klären, was ihre „neue“ Migrationspolitik für die afrikanischen Partner bedeutet und welches Angebot sie zu machen bereit ist.

Der Paradigmenwechsel: Der Bedarf an Arbeitskräften bestimmt die neue Migrationsagenda

Ende 2022 legten deutsche Bundesminister*innen eine Reihe von Vorschlägen zur Visaerleichterung und zur erleichterten Einbürgerung und Familienzusammenführung für Fachkräfte vor, um die Arbeitsmigration aus Nicht-EU-Ländern zu fördern. Aus der Opposition heraus lehnt die CDU Aspekte der Reform ab, die die Verfahren zur Regularisierung des Aufenthalts sowie zur Einbürgerung vereinfachen würden, trägt jedoch das Ziel mit, die Zahl der ausländischen Arbeitskräfte in Deutschland zu erhöhen. Erwähnenswert ist hier, dass die CDU mit der Verabschiedung des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes, damals noch als größte Partei der vorherigen Regierungskoalition, maßgeblich zur Erleichterung der Einwanderungsverfahren für Fachkräfte beigetragen hat.

Diese einhellige Befürwortung der Einwanderung mag überraschend erscheinen, sie lässt sich allerdings mit den Bedürfnissen einer alternden Gesellschaft erklären. Nach Schätzungen der Bundesregierung ist die deutsche Wirtschaft dringend auf Zuwander*innen angewiesen, konkret etwa 400.000 Menschen pro Jahr, um dem Arbeitskräftemangel zu begegnen und das derzeitige Wachstumsniveau aufrechtzuerhalten. Da die Überalterung auch den Großteil des Kontingents an Arbeitskräften aus dem Ausland betrifft, bemüht sich Deutschland, die Herkunftsländer der Arbeitsmigrant*innen zu diversifizieren, und schaut dabei insbesondere auf Länder mit einer boomenden Bevölkerungszahl, von denen viele in Afrika liegen.

Neben einer Reihe geplanter Gesetzesänderungen und der Ernennung des Sonderbevollmächtigten greift die Bundesregierung auch auf Instrumente zurück, die ursprünglich anderen Zwecken dienten, um ihr neues Ziel der Anwerbung von Fachkräften aus dem Ausland zu erreichen. Ein Beispiel hierfür sind die von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) betriebenen Rückkehrzentren in Ländern wie Nigeria, Tunesien, Ghana und Marokko. Ursprünglich waren diese Zentren dazu gedacht, zurückgekehrte Migrant*innen bei der Wiedereingliederung und der Arbeitssuche im Herkunftsland zu unterstützen. Mitarbeiter*innen des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), die für diesen Bericht befragt wurden, haben allerdings angekündigt, diese Rückkehrzentren als Informationszentren nutzen zu wollen, in denen sich potenzielle Arbeitsmigrant*innen über Möglichkeiten der Einwanderung nach Deutschland informieren können.

Der neue politische Fokus der Ampelkoalition auf die Arbeitsmigration deutet auf eine Abkehr von der politischen Agenda der vorherigen Regierung hin, insbesondere im Hinblick auf die Beziehungen zu afrikanischen Ländern. Die damalige Bundesregierung hatte ihr Hauptaugenmerk auf die Bekämpfung der irregulären Migration aus Afrika ausgerichtet. Tatsächlich ging das späte Afrika-Engagement von Ex-Kanzlerin Merkel im Jahr 2016 mit dem deutschen und europäischen Ziel einher, die Zuwanderung einzudämmen. „Migration steuern und gestalten und die Ursachen von Flüchtlingsbewegungen bekämpfen“ war eines der fünf Ziele des deutschen Engagements in Afrika. Zur Umsetzung dieses Ziels diente die Finanzierung neuer Initiativen, mit denen die irreguläre Migration aus Afrika verringert, die Grenzkontrollen verschärft und die Zahl der Rückführungen nach Afrika erhöht werden sollten (hier sei an die bereits erwähnten Rückkehrzentren erinnert).

Dieser Paradigmenwechsel beruht jedoch auf einer bekannten Idee. Die deutsche Migrationspolitik wurde lange Zeit von wirtschaftlichen Zwängen und dem Bedarf an Arbeitskräften im Inland dominiert. Ein berüchtigtes Beispiel hierfür ist die Anwerbung von „Gastarbeitern“ ab den 1960er Jahren. Doch trotz dieser Vorgeschichte und des neuen politischen Impulses für mehr Arbeitsmigration bleibt der Zugang zum Arbeitsmarkt für Menschen aus Nicht-EU-Staaten kompliziert. Die Anforderungen für die Anerkennung von Qualifikationen und den Nachweis von Berufserfahrung und Deutschkenntnissen stellen erhebliche Hindernisse für die Arbeitsmobilität dar. Daran ändern auch die geplanten Reformen nur wenig. Zuwanderungswillige aus Afrika haben tendenziell geringere Chancen auf Erfolg ihres Visumsantrags als solche aus anderen Weltregionen. Sie müssen mit zusätzlichen Engpässen in den Botschaften in Ländern wie Ghana und Nigeria rechnen, wo nach Angaben des Auswärtigen Amtes die konsularischen Kapazitäten zur Bearbeitung von Visumanträgen überlastet sind. Es bleibt abzuwarten, wie die Bundesregierung gedenkt, diese Hürden für afrikanische Arbeitsmigrant*innen abzubauen.

Eine Politik des Gebens und Nehmens: Legale Migration und Rückkehr gehen Hand in Hand

Das Versprechen, legale Wege für die Einwanderung zu öffnen, geht mit einem verstärkten politischen Druck einher, die Rückführung von Ausreisepflichtigen zu beschleunigen. Die Bundesregierung argumentiert, dass legale Wege und Rückführungen die zwei Pole einer ausgewogenen Migrationspolitik sind. Der Fokus auf Rückführungen ist wahrlich nicht neu, doch dürfte die Priorität, die der Rückführung mit der sogenannten „Rückführungsoffensive“ wieder einmal beigemessen wird, die Bereitschaft der deutschen Behörden zügeln, legale Wege für Länder zu öffnen, in denen die Zusammenarbeit bei der Rückführung besonders schwierig ist – vor allem Länder in West- und Zentralafrika. Die Rückführungsquote, d. h. der Anteil der Personen ohne Bleiberecht, die von der EU in afrikanische Länder (mit Ausnahme des südlichen Afrikas) zurückgeführt werden, ist nicht nur eine der niedrigsten im Vergleich zu anderen Weltregionen, sondern ist in den letzten zehn Jahren auch gesunken und bewegt sich unterhalb der 20-Prozent-Marke. Diese niedrige Rückführungsquote bedeutet, dass weniger als eine*r von fünf afrikanischen Staatsangehörigen, für die in Europa eine Rückkehrentscheidung getroffen wurde, tatsächlich zurückkehrt. Solange sich die Zusammenarbeit bei der Rückübernahme nicht verbessert, ist es unwahrscheinlich, dass die afrikanischen Partner eine drastische Öffnung des deutschen Arbeitsmarkts für afrikanische Zuwanderer*innen erleben werden. Weitaus wahrscheinlicher ist, dass die afrikanischen Länder das Gespräch über die Rückführung dort fortsetzen müssen, wo es unter der letzten Bundesregierung endete.

Die EU hat bereits versucht, die Liberalisierung legaler Zuwanderung mit einer verbesserten Zusammenarbeit mit Afrika im Rahmen der Rückkehrpolitik zu verknüpfen. Die Verhandlungen über die Visaliberalisierung zwischen der EU-Kommission und Ländern wie Marokko und Tunesien liegen allerdings seit zehn Jahren auf Eis, weil die Kommission auf Rückführungen besteht. Europäische Offizielle erkennen selbst an, dass die Verhandlungen über diese Vorbedingung ein schwieriges Unterfangen sind, da sie die bilateralen Beziehungen zu den Partnerländern stark belastet. Dabei darf nicht vergessen werden, dass EU-Mitgliedsstaaten die Verantwortung für die niedrigen Rückführungsquoten allein den Partnerländern aufbürden, obwohl im eigenen Land viel getan werden könnte, um die Rückführungsverfahren zu verbessern und die Länder zur Rücknahme ihrer Staatsangehörigen zu bewegen.

Wiederbelebung von Partnerschaften – und alten Ideen

Der neue deutsche Sonderbevollmächtigte für Migrationsabkommen sorgte mit seinem Vorstoß zur Prüfung von Asylverfahren außerhalb Deutschlands – und insbesondere in Nordafrika – für Aufsehen. Ähnliche Ideen hatten bereits in der Vergangenheit für Schlagzeilen gesorgt, wie z. B. die Idee von Ausschiffungsplattformen für Menschen, die im Mittelmeer aufgegriffen werden, oder jüngst Großbritanniens Pläne, Asylbewerber*innen nach Ruanda zu schicken. Unterdessen hat Dänemark vor Kurzem die Verhandlungen mit Ruanda über geplante Asylzentren in dem ostafrikanischen Land gestoppt und sich an die EU gewandt, um eine gemeinsame Lösung zu finden.

Der Grund dafür, dass die Idee der Auslagerung von Asylverfahren wieder auftaucht, ist die Unfähigkeit, die Partnerländer mit ins Boot zu holen. Die Idee, mit Herkunfts- und Transitländern afrikanischer Migrant*innen zusammenzuarbeiten, stammt aus den frühen 2000er Jahren. Seitdem hat die EU zahlreiche Initiativen ergriffen, um die Fähigkeit ihrer Nachbarn im Süden zur Regulierung der Migrationsströme zu verbessern. Diesen Initiativen wurde nach 2015 und der Einrichtung des EU-Nothilfe-Treuhandfonds „zur Unterstützung der Stabilität und zur Bekämpfung der Ursachen von irregulärer Migration und Vertreibungen in Afrika“ Auftrieb verliehen. So gehörte Deutschland zu den größten Beitragszahlern für den Treuhandfonds, während die GIZ die erste Durchführungsorganisation war, die von den Mitteln profitierte. Im Rahmen dieser Bemühungen finanziert die GIZ mehrere Initiativen, die Einwanderungsregelungen in verschiedenen Teilen Afrikas und die staatlichen Kapazitäten zur Regulierung und Eindämmung von Migrationsströmen stärken. Forscher*innen betrachten diese Maßnahmen als europäisches Bestreben europäischer Staaten, die Migrationskontrolle in die wichtigsten Transitländer Afrikas zu verlagern, etwa mit dem Projekt „Besseres Migrationsmanagement“ in Ostafrika oder der Finanzierung der Migrationsstrategie des Niger.

Doch ganz so einfach ist es nicht. Als Geldgeber und Partner dieser Initiativen kennt Deutschland die Hürden und Lücken, die in Teilen des Kontinents im Bereich der Einwanderungs- und Asylpolitik bestehen, nur zu gut. Die afrikanischen Regierungen selbst sind sehr stark darum bemüht, nicht die Kontrolle über die Einwanderung aus der Hand zu geben sowie Arbeitsmigrant*innen oder Asylbewerber*innen allzu attraktive Bedingungen zu bieten.

Eine neue Rolle in einer Welt im Wandel

Die Bundesregierung hat mit ihrem „Weißbuch Multilateralismus“ ihr Engagement für eine multilaterale Zusammenarbeit bekräftigt. Dies spiegelt sich deutlich in ihrer Migrationspolitik in Afrika und auf globaler Ebene wider. Beim ersten von den Vereinten Nationen geförderten „Überprüfungsforum Internationale Migration“ zum „Globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration“ von 2022 war Deutschland Gastgeber mehrerer Veranstaltungen und runder Tische und zeigte damit im Vergleich zu anderen europäischen Partnern ein starkes Engagement in den Diskussionen. In Afrika unterstützt die GIZ zahlreiche kontinentale und regionale Organisationen, die darauf abzielen, Hürden für eine uneingeschränkte Mobilität abzubauen, wie die Afrikanische Union (AU) und regionale Wirtschaftsgemeinschaften wie IGAD. In der Folge ist Deutschland zum ersten europäischen Partner der AU im Bereich Migration geworden, der in die kontinentale und regionale Personenfreizügigkeit investiert und sich damit von anderen Initiativen abhebt, die die Mobilität in Westafrika einzuschränken versuchen.

Die deutsche Migrationsagenda hat mit dem Zusammenhang zwischen Klimawandel und Migration auch einen neuen thematischen Fokus, dem sich mehrere Referate im Auswärtigen Amt widmen. Dieses finanziert auch neue Forschungsinitiativen zum Thema, wie etwa die Plattform für katastrophenbedingte Vertreibung. Allerdings besteht die Gefahr, dass diese Arbeit zu einem „Lieblingsprojekt“ einiger Ministerien wird und nicht in andere Initiativen mündet (z. B. in BMZ-Projekten), zumal es kein ministerienübergreifendes Koordinierungsgremium für Migration gibt.

Fazit

Die neue Bundesregierung hat einen Paradigmenwechsel in der Migrationspolitik und konkret Veränderungen bei der Arbeitsmigration angekündigt. Niederschlagen sollen sich diese Pläne in neuen Partnerschaften mit Ländern in Afrika und anderswo. Zum jetzigen Zeitpunkt ist schwer zu sagen, was sich damit für die Migrationspartner in Afrika ändert. Wenn überhaupt, dann ist Deutschland bestrebt, nachhaltige und verlässliche Partnerschaften mit Ländern aufzubauen, die über qualifizierte Arbeitskräfte verfügen und bereit sind, bei der Rückführung in angemessener Weise zu kooperieren.

Der Verwirklichung dieser Partnerschaften stehen mehrere Hürden im Weg. Erstens wird Deutschland die Öffnung legaler Einwanderungswege wahrscheinlich an eine bessere Zusammenarbeit bei der Rückführung von Migrant*innen knüpfen, wozu die afrikanischen Partner nur zögerlich bereit sind. Zweitens werden die aktuellen Reformvorschläge die strengen Voraussetzungen für eine Zulassung zum deutschen Arbeitsmarkt nur geringfügig lockern, was den Umfang der Partnerschaften mit afrikanischen Ländern und die Möglichkeiten für afrikanische Staatsangehörige nach Deutschland zu kommen, einschränken wird. Drittens sind die afrikanischen Partner möglicherweise nicht begeistert von der Idee, qualifizierte Arbeitskräfte nach Deutschland zu schicken. Der Braindrain, die Abwanderung von Hochqualifizierten aus den Bereichen Medizin, Ingenieurwesen oder IT, ist nach wie vor ein großes Problem für die Entsendeländer, insbesondere in Nordafrika. Einem bestehenden Vorschlag für zirkuläre Ausbildungsmigration und Investitionen in kritische Infrastruktur, die Fachkräfte zum Verbleib in Afrika bewegen würde, könnte hier mehr Aufmerksamkeit geschenkt werden. Viertens hat die Bundesregierung hinsichtlich ihrer Absicht, die Partnerschaft mit Afrika zu erneuern, gemischte Signale ausgesandt. Dass zum Beispiel der Vorschlag zur Auslagerung von Asylverfahren wieder auf dem Tisch liegt, zeigt, wie widersprüchlich die angeblich neue Sichtweise auf die deutsch-afrikanische Zusammenarbeit ist. Deutschland fehlt eine klare politische Vision über die Ziele und Mittel einer neuen Migrationspolitik.

Ohne politische Visionen besteht die Gefahr, dass der Paradigmenwechsel nur marginale Änderungen nach sich zieht und hauptsächlich darin besteht, bereits bekannte Konzepte an neue Gegebenheiten anzupassen. Dies könnte auch zulasten der programmatischen Arbeit und Forschung gehen, die Deutschland in verschiedenen Teilen des Kontinents in den Bereichen Klima und Migration, regionale Freizügigkeit und Schutz von Migrant*innen und Geflüchteten fördert. Diese Unklarheit ist vor allem deshalb problematisch, da die bilateralen Beziehungen in Regionen wie der Sahelzone, die für die deutsche und europäische Migrationspolitik von zentraler Bedeutung sind, besonders schwierig sind. Sowohl in Europa als auch in Afrika wird der Migrationsdiskurs weiterhin von Sicherheitsaspekten dominiert. Ein ernst gemeinter Vorschlag der Bundesregierung müsste auf den Erfahrungen aus der programmatischen Arbeit in Afrika aufbauen. Nur dann wird klar, was funktioniert und was nicht.

Über die Autoren
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Dr. Kwaku Arhin-Sam ist ein internationaler Migrationsforscher mit Schwerpunkt auf Subsahara-Afrika und der Zusammenarbeit zwischen der EU und Afrika im Bereich Migration. Zu seinen Forschungsgebieten gehören Migrationssteuerung und -partnerschaften, Diaspora, Remigration und Reintegration sowie Identitäts- und Zugehörigkeitspolitik. Er hat an der Jacobs University Bremen und der Universität Bremen promoviert und ist derzeit geschäftsführender Direktor des Friedensau Institute for Evaluation (FIFE). Dr. Arhin-Sam ist Associate Fellow am Arnold-Bergstraesser-Institut in Freiburg, wo er zuvor als wissenschaftlicher Mitarbeiter für das Forschungsprojekt „Die Politische Ökonomie der Westafrikanischen Migrationsgovernance“ (WAMiG) tätig war.

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Alia Fakhry ist Migrationsforscherin und politische Analystin. Sie berät regelmäßig Think Tanks und internationale Organisationen zu Fragen der Migrationsdynamik und -politik in Europa, Nordafrika, der Sahelzone und dem westlichen Mittelmeerraum sowie zur Zusammenarbeit der EU mit afrikanischen Partnern im Bereich Migration. Sie ist Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Auswärtige Politik (DGAP), wo sie das Projekt „From Here to EU: How to Talk About Migration in Africa" koordinierte.

APRI als Institution äußert sich nicht zu politischen Fragen. Die in den Veröffentlichungen zum Ausdruck gebrachten Ansichten sind die der Autor*innen und spiegeln nicht unbedingt die Ansichten von APRI, seiner Mitarbeitenden oder seines Vorstands wider.

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