Die wichtigsten Entscheidungen der UN-Klimakonferenz in Glasgow (COP26), ihre Bedeutung für afrikanische Länder und ein Ausblick auf die COP27 in Ägypten

In diesem Artikel werden die wichtigsten Ergebnisse der COP26 in Bezug auf Afrika zusammengefasst und den Schwerpunktthemen „Anpassung“, „Verluste und Schäden“, „Eindämmung“, „Marktwirtschaftliche und nicht-marktwirtschaftliche Ansätze“ und „Finanzierung“ zugeordnet. Außerdem wird aufgezeigt, warum die COP26 eine gute Möglichkeit darstellt, auf der COP27 in Afrika noch ambitioniertere Ziele zu formulieren.

Die wichtigsten Entscheidungen der UN-Klimakonferenz in Glasgow (COP26), ihre Bedeutung für afrikanische Länder und ein Ausblick auf die COP27 in Ägypten
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Unter Yacob Mulugetta
Published on Feb 28, 2022
Zusammenfassung
  • Die COP26 endete damit, dass 197 Parteien dem „Glasgower Klimapakt“ zustimmten. Dabei bekräftigten die Industriestaaten ihre Zusage, Entwicklungsländern jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutzprojekte zur Verfügung zu stellen.
  • Auf der COP27 müssen die afrikanischen Staaten nachdrücklich erklären, dass der derzeitige Finanzierungsmechanismus / die derzeitige Prozedur für den Zugang zu Finanzmitteln den Bedürfnissen Afrikas nicht gerecht wird.
  • Mit dem Glasgower Klimapakt sind die Vertragsparteien aufgefordert, Anpassungsmaßnahmen stärker in die lokale, nationale und regionale Planung einzubeziehen. Industrieländer sollen ihre gemeinsame Bereitstellung von Klimaschutzfinanzierungen für die Anpassung an den Klimawandel verdoppeln, so dass ihr Anteil an der globalen Klimafinanzierung von 25 % auf 50 % steigt.
  • Die Schwerpunktthemen Anpassung und Verluste und Schäden müssen getrennt voneinander behandelt werden. In Vorbereitung auf die COP27 in Ägypten müssen afrikanische Politiker*innen und Verhandlungsführer*innen ein stringenteres Narrativ zum Thema Verluste und Schäden erarbeiten, das mit robusten wissenschaftlichen Belegen unterfüttert ist und seinen Fokus auf die Klimagerechtigkeit legt.
  • Im Rahmen des Glasgower Klimapakts müssen alle teilnehmenden Länder ihre nationalen Klimaschutzbeiträge (NDCs) bis zur nächsten COP in Ägypten überprüfen und ambitionierter gestalten, „um sie an das Temperaturziel des Pariser Abkommens anzupassen“. Da die CO2-Emissionen der meisten afrikanischen Länder bereits jetzt unter den Temperaturvorgaben liegen, sollten afrikanische Länder weniger ehrgeizige NDCs von Industrieländern hinterfragen, die für den größten Teil der CO2-Emissionen verantwortlich sind

Die COP26 endete mit den üblichen vollmundigen Versprechungen, an die sich die Welt bereits gewöhnt hat. Der „Glasgower Klimapakt“, auf den sich die 197 Parteien einigten, wird wahrscheinlich bis zur COP27 im ägyptischen Sharm El-Sheikh Grundlage intensiver Diskussionen sein. Das Beschlusspaket umfasst eine Reihe von Punkten, darunter verstärkte Anstrengungen zur Eindämmung der Treibhausgasemissionen und ehrgeizigere Emissionsreduktionsziele, um die globale Erwärmung auf unter 1,5 °C zu begrenzen und damit die Lücke zum derzeitigen Kurs von 2,4 °C zu schließen. Der Glasgower Klimapakt unterstrich zudem die Verantwortung der Industrieländer, ihrer Zusage nachzukommen, jährlich 100 Milliarden US-Dollar für Klimaschutzprojekte in Entwicklungsländern zur Verfügung zu stellen. Darüber hinaus versprachen die Industrieländer, durch den Klimawandel gefährdete Länder mit einem dezidierten Fonds bei der Anpassung an die gefährlichen und kostenintensiven Auswirkungen des Klimawandels zu unterstützen. Zum ersten Mal wurden die Länder auch aufgefordert, die ungebremste Kohleverstromung und die ineffizienten Subventionen für fossile Brennstoffe auslaufen zu lassen. Über den Glasgower Klimapakt hinaus wurden unterschiedliche Vereinbarungen zum Thema Methanausstoß, Entwaldung sowie zur Ausrichtung des Finanzsektors auf die bis 2050 zu erfüllenden Netto-Null-Ziele getroffen.

Überschattet wurde das Gipfeltreffen von zwei außergewöhnlichen Jahren und einer Pandemie, die weltweit verheerende Auswirkungen auf die Existenzgrundlagen und die Wirtschaft hatte. In punkto Klima gab es eine Reihe beunruhigender Trends: Das Jahr 2021 war das sechstwärmste Jahr seit Beginn der meteorologischen Aufzeichnungen und 2015 bis 2021 waren die sieben wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen. Der 6. Sachstandsbericht des IPCC vom August 2021 enthielt eine eindringliche Warnung an die Welt, wonach „viele der klimatischen Veränderungen, die bislang beobachtet wurden, seit Tausenden, wenn nicht Hunderttausenden von Jahren auf der Erde nicht vorkamen. Darüber hinaus sind einige Veränderungen über Hunderte bis Tausende von Jahren unvermeidbar und unumkehrbar“. Diese Warnung verdeutlicht, dass der Klimawandel nicht länger ein theoretisches Risiko ist, das in der fernen Zukunft liegt, sondern ein Phänomen, mit dem Menschen in verschiedenen Teilen der Welt bereits jetzt zu kämpfen haben. Dessen Folgen, die im Jahr 2021 noch deutlicher sichtbar wurden, werden sich in den kommenden Jahren weiter verstärken.

Was hat Afrika auf der COP26 erreicht?

Obwohl inzwischen anerkannt ist, dass der Klimawandel gemeinsames Handeln erfordert, neigen Länder dazu, auf globale Sachverhalte aus der Perspektive ihrer eigenen nationalen Realitäten zu blicken. Die Auswirkungen des Klimawandels werden häufig nur als nationales und lokales Phänomen betrachtet, weshalb staatliche Maßnahmen entsprechend ausfallen. Die afrikanische Verhandlungsgruppe (African Group of Negotiators, AGN) kam mit einer Reihe von Verhandlungspositionen nach Glasgow.

Anpassung

Klimaanpassung ist eine der wichtigsten Prioritäten für Afrika, da der Kontinent bereits jetzt die schlimmsten Auswirkungen der Klimakrise zu spüren bekommt. Anpassung bezeichnet die Anpassung ökologischer, sozialer oder wirtschaftlicher Systeme als Reaktion auf tatsächliche oder erwartete klimatische Einflüsse und deren Auswirkungen. Die Vertragsparteien der UN-Klimarahmenkonvention (UNFCCC) und des Pariser Abkommens erkennen an, dass Klimaanpassung eine Schlüsselkomponente der langfristigen globalen Strategie zur Bekämpfung des Klimawandels ist, um Menschen, Lebensgrundlagen und Ökosysteme zu schützen. Ihre Umsetzung erfordert eine sorgfältige Planung. Bislang schien es schwer, sich auf eine verbesserte Finanzierung der Anpassungsmaßnahmen zu einigen. Die Vertragsparteien des Glasgower Klimapakts sollen Anpassungsmaßnahmen nun stärker in die lokale, nationale und regionale Planung einbeziehen. Gleichzeitig sind Industrieländer aufgefordert, ihre Finanzierungszusage für Anpassungsmaßnahmen an den Klimawandel zu verdoppeln, so dass dieser Anteil an der globalen Klimafinanzierung von derzeit 25 % auf die angestrebten 50 % ansteigt – gemessen an der Zielvorgabe von 100 Milliarden US-Dollar. Vor der Konferenz in Glasgow hatte die AGN auch über die weitere Operationalisierung des globalen Anpassungsziels (Global Goal of Adaptation, GGA) verhandelt. Leider wurden diese Verhandlungen auf der COP26 nicht fortgeführt, so dass eine Gelegenheit zur vollständigen Umsetzung des GGA ungenutzt blieb. Ein bescheidener Erfolg wurde jedoch mit dem Start des zweijährigen, neu aufgesetzten GGA-Arbeitsprogramms „Glasgow-Sharm el-Sheikh Work Programme“ erzielt.

Verluste und Schäden

Kleine Inselstaaten und durch den Klimawandel gefährdete Länder, viele davon in Afrika, haben Mittel zur Deckung von Verlusten und Schäden gefordert. Der Begriff „Verluste und Schäden“ (loss and damage) stammt aus der UN-Klimarahmenkonvention und bezeichnet die durch den menschengemachten Klimawandel verursachten Schäden. Dazu gehören Schäden, die auf plötzlich auftretende Ereignisse wie Überschwemmungen und Wirbelstürme oder auch auf langsam einsetzende Prozesse wie dem Anstieg des Meeresspiegels zurückzuführen sind. Im Mittelpunkt der Debatte steht die Frage, wie diese Verluste und Schäden erstattet werden könnten und wer dafür aufkommen sollte. Einige Expert*innen sind der Ansicht, dass die Industrieländer für ihre „Verantwortung“ für ihre Treibhausgasemissionen „Entschädigung“ leisten oder im Rahmen eines „Solidaritätsfonds“ für Verluste und Schäden aufkommen sollten. Die afrikanische Verhandlungsgruppe vertrat den Standpunkt, dass der Verlust von Lebensgrundlagen, Häusern und kulturellem Erbe nur durch eine Entschädigung für Verluste und Schäden zu verhindern ist.

Am Ende wurde der Vorschlag der G77-Staaten und Chinas, eine dezidierte Institution ins Leben zu rufen, die sich dieses Themas annimmt, trotz aller Willensbekundungen auf dem Gipfel nicht in den Glasgower Klimapakt aufgenommen. Das war eine bittere Enttäuschung für viele gefährdete Länder – auch in Afrika. Dieses Versäumnis unterstrich einmal mehr das klare Nord-Süd-Gefälle in dieser Frage und die mangelnde Bereitschaft der Industrieländer, ihre historische Verantwortung mit einer Ausgleichsfinanzierung zu verknüpfen, um gefährdete Länder bei der Durchführung von Maßnahmen zur Stärkung ihrer Resilienz zu unterstützen.

Es gab jedoch auch Gründe für Optimismus. Erstens sagte die schottische Ministerpräsidentin Nicola Sturgeon im Alleingang – und damit im Widerspruch zur bisherigen Weigerungshaltung der reichen Länder – 2 Millionen Pfund für Verluste und Schäden als „Akt der Wiedergutmachung“ zu. Damit öffnete sie den Weg für eine Debatte, die im Rahmen von Diskussionen zu den Themen Haftung und Verantwortung bereits aufs Tablett gebracht worden war. Zweitens war die mangelnde Operationalisierung des Santiago-Netzwerks (Santiago Network for Loss and Damage, SNLD) ein anhaltendes Problem, das nach Ansicht der AGN einer Lösung bedurfte. Das SNLD war auf der COP25 eingerichtet worden, um technische Hilfe für die Abwendung, Minimierung und Bewältigung von Verlusten und Schäden in gefährdeten Entwicklungsländern zu leisten, aber seine Funktionen und Modalitäten waren nicht genauer festgelegt worden. Auf der COP26 haben die Vertragsparteien die Funktionen des SNLD nun näher spezifiziert und einen Prozess zur Ausarbeitung der institutionellen Regelungen festgelegt, damit das SNLD bis zur COP27 voll einsatzfähig ist. Auf die afrikanischen Regierungen wartet also noch viel Arbeit, wenn sie eine Plattform schaffen wollen, die im Sinne eines fairen und transparenten Ergebnisses ein breites Spektrum von Interessengruppen einbezieht.

Eindämmung

Afrika hat ein großes Interesse daran, wie im Rahmen des mit der UN-Klimarahmenkonvention angestoßenen Prozesses mit dem Thema Emissionsminderung umgegangen wird. Auch wenn Afrika nicht zu vergangenen und aktuellen Emissionen beigetragen hat und gegenwärtig nur wenig zur Emissionsminderung beizutragen hat, darf der Kontinent bei den Verhandlungen über die Emissionsminderung nicht als passiver Beobachter dastehen, da auch seine Zukunft auf dem Spiel steht. Auch wenn etwa 70 % des Kohlenstoffbudgets ausgeschöpft sind, muss sich Afrika aktiv an der Entscheidung beteiligen, wie das verbleibende Kohlenstoffbudget verwaltet werden soll.

Als Ergebnis der Verhandlungen in Glasgow stellt der Glasgower Klimapakt nur einen schrittweisen Fortschritt und nicht den Durchbruch dar, der notwendig ist, um das 1,5 °C-Ziel zu retten. Vor der COP26 steuerte die Welt auf 2,7 °C Erwärmung zu, legt man die mit den NDCs verbundenen Verpflichtungen der einzelnen Länder, die Erwartungen an den technologischen Wandel und, in geringem Maße, eine reduzierte Nachfrage zugrunde. Die Zusagen einiger Länder auf der COP26 würden auf einen Entwicklungspfad verweisen, bei dem die globale Erwärmung von 2,7 auf 2,4 °C sinken würde. Eine Reihe von Ländern, darunter Indien und Nigeria, kündigten an, sich Netto-Null-Ziele im Bereich der Emissionen setzen zu wollen. Alle Länder wurden aufgefordert, für die COP27 noch ehrgeizigere NDCs vorzulegen. Ein wichtiger Höhepunkt war die Ankündigung eines umfangreichen Abkommens zur Unterstützung Südafrikas beim Kohleausstieg, das Mittel zur Unterstützung betroffener Arbeitnehmer*innen, zur Wiederherstellung geschädigter Ökosysteme und zum Aufbau von Kapazitäten für die Energiewende hin zu sauberen Technologien vorsieht.

Marktwirtschaftliche und nicht-marktwirtschaftliche Ansätze

Auch das Thema der marktwirtschaftlichen und nicht-marktwirtschaftlichen Ansätze hat Auswirkungen auf Afrika. Im Vorfeld der COP26 legte die afrikanische Verhandlungsgruppe großen Wert auf die Gewährleistung der ökologischen Integrität und die Vermeidung von Doppelzählungen. Konkret argumentierte sie, dass eine Einigung darüber erzielt werden müsse, dass der in Artikel 6 genannte Anteil der Erlöse aus dem Emissionshandel in einen Anpassungsfonds fließt, ohne diesen Anteil auf Artikel 6.4 zu beschränken – eine Einigung, die die Einnahmen des Fonds aus dem Emissionshandel von 5 % auf 10 % seines Gesamtbudgets verdoppelt hätte. Nach langwierigen Verhandlungen über Artikel 6 (Kohlenstoffhandel) wurde schließlich eine Einigung erzielt, allerdings mit der Einschränkung, dass nur die Zahlungen nach Art. 6.4 verpflichtend sind. Auch wenn einige der größten Schlupflöcher geschlossen worden zu sein scheinen, sind noch viel strengere Regeln erforderlich, um zu verhindern, dass die Industrie einen „CO2-Ausgleich“ (Klimakompensation) für fossile Brennstoffe geltend macht und ihre Geschäfte wie gewohnt weiterführt. Deshalb muss Afrika darauf achten, dass es nicht als Drehscheibe für billige Klimaschutzzertifikate dient.

Finanzierung

Die Klimafinanzierung war und bleibt eines der strittigsten Themen im Prozess rund um die UNFCCC. Es sei nur daran erinnert, dass sich die Industrieländer ursprünglich im Jahr 2009 verpflichtet hatten, jedes Jahr 100 Milliarden US-Dollar zu mobilisieren. Diese Zusage bekräftigten sie 2015 im Rahmen des Pariser Abkommens mit der Absicht, die Finanzierung bis 2020 in vollem Umfang bereitzustellen und bis 2025 aufrechtzuerhalten. Dieses Versprechen blieb unerfüllt und die 100 Milliarden US-Dollar sind nach wie vor ein Wunschziel – und das obgleich die AGN darauf hinwies, dass Afrika schätzungsweise über 3 Billionen US-Dollar benötigt, um seine Klimaschutzverpflichtungen und NDCs umzuset

Die G77 und China forderten die Industrieländer in Glasgow auf, bis 2030 mindestens 1,3 Billionen US-Dollar pro Jahr bereitzustellen, wobei die Mittel zu gleichen Teilen auf die Schwerpunktbereiche Anpassung und Eindämmung aufgeteilt werden und mindestens 100 Milliarden US-Dollar in Form von Zuschüssen bereitgestellt werden sollten. In Bezug auf die 100 Milliarden US-Dollar gab es auf der COP26 keinen entscheidenden Durchbruch. Im Glasgower Klimapakt wird „Bedauern“ darüber ausgedrückt, dass die Industrieländer nicht in der Lage waren, das Geld aufzubringen, und sie sind nachdrücklich aufgefordert, „das Ziel von 100 Milliarden US-Dollar dringend bis 2025 vollständig zu erfüllen“.

Obwohl der Klimapakt den Schwerpunkt auf „Zuschüsse“ und „hochkonzessionäre Finanzierungsformen“ legt, wird ein großer Teil der Finanzmittel für die Entwicklungsländer aller Wahrscheinlichkeit nach in Form von Krediten bereitgestellt werden. Eine OECD-Studie hatte ergeben, dass im Jahr 2019 etwa 71 % der öffentlichen Klimafinanzierung in Form von Krediten erfolgte. Die starke Abhängigkeit von Krediten hat Auswirkungen auf die Finanzen der afrikanischen Länder, da Kredite die Anfälligkeit für Verschuldung erhöhen. Das wirft die Frage auf, ob afrikanischen Ländern tatsächlich Kredite samt Zinsen aufgebürdet werden sollen, um ihre Klimaschutzmaßnahmen zu finanzieren. Fairness beim Zugang zu „preiswerter“ Finanzierung sollte ein wichtiges Diskussionsthema sein, wenn sich die Parteien im November im ägyptischen Sharm El-Sheikh treffen.

Was steht noch an für die COP27?

Die COP26 ist eine wichtige Grundlage zur Formulierung ehrgeizigerer Ziele auf der COP27 in Ägypten im November dieses Jahres. Die afrikanische Verhandlungsgruppe hat jedoch noch viel Arbeit vor sich, sowohl in inhaltlicher als auch in diplomatischer Hinsicht.

Erstens muss Afrika seine Klimaschutzbemühungen derart implementieren, dass sie gleichzeitig dem angestrebten Ziel einer nachhaltigen Entwicklung zugutekommen. Und dafür ist es vonnöten, eine Agenda für ehrgeizigere Entwicklungsszenarien festzulegen. Die Debatte über die Finanzierung von Anpassung sowie von Verlusten und Schäden ist von entscheidender Bedeutung, und Afrika muss eine proaktive Rolle spielen, um in Ägypten das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Statt sich jedoch immer nur auf eine einzelne COP vorzubereiten, muss auch die Schaffung von Institutionen und politischen Maßnahmen im Mittelpunkt stehen, die einen inklusiven Strukturwandel in allen Sektoren fördern. Zweifelsfrei muss Afrika zum Beispiel einiges tun, um die Lücke beim Zugang zu Energie zu schließen. Es geht auf diesem wichtigen Weg aber auch um die Mitnahme möglicher Spillover-Effekte. Kann Afrika es sich leisten, erneuerbare Technologien zu importieren und gleichzeitig Mineralien wie Kobalt und Lithium zu exportieren, die für die globale Energiewende entscheidend sind? Es wäre tragisch, wenn die globale Dekarbonisierung auf Kosten der Existenzgrundlagen in Afrika ginge. Daher müssen politische Entscheidungsträger*innen des Kontinents strategisch planen, wie sie ihre Länder so positionieren können, dass sie mithilfe von Klimaschutzmaßnahmen die Produktion ankurbeln und gleichzeitig Arbeitsplätze schaffen können. Verhandlungen über die Klimafinanzierung sind wichtig, aber es wird mehr politischer Einfallsreichtum nötig sein, um die mit Klimaschutzmaßnahmen verbundenen Vorteile in Entwicklungspläne und -bestrebungen zu integrieren.

Zweitens müssen die Bereiche Anpassung und Verluste und Schäden voneinander getrennt angegangen werden, da sie unterschiedlicher Natur sind. Beim Thema Anpassung geht es darum, zu verhindern, dass der Klimawandel Existenzgrundlagen zerstört. Demzufolge ist dieser Bereich zukunftsorientiert. Der Bereich Verluste und Schäden betrifft Schäden, die bereits in der Vergangenheit durch den Klimawandel entstanden sind. Daher ist eine Entschädigung der richtige Weg, um betroffenen Gemeinschaften zu ermöglichen, sich ihr Leben wieder aufzubauen. Afrikanische Politiker*innen und Verhandlungsführer*innen müssen sich für mehr Anpassungsfinanzierung einsetzen, gleichzeitig aber auch ein fundiertes Narrativ im Bereich Verluste und Schäden erarbeiten, das mit robusten wissenschaftlichen Belegen unterfüttert ist und das Thema Klimagerechtigkeit in den Mittelpunkt stellt. So können jene Länder Unterstützung erfahren, die am wenigsten für den Klimawandel verantwortlich sind, aber bereits irreparable Verluste und Schäden erlitten haben.

Drittens muss Afrika in Bezug auf die Finanzierung nachdrücklich betonen, dass der derzeitige Finanzierungsmechanismus beziehungsweise der Zugang zu Finanzmitteln den Bedürfnissen Afrikas nicht gerecht wird. Die afrikanischen Länder erhalten derzeit nur einen winzigen Teil der Finanzströme aus dem öffentlichen und privaten Sektor, und angesichts der Tatsache, dass Investitionen in Klimaschutzmaßnahmen zunehmend aus privaten Quellen stammen, ist eine Verbesserung dieser Situation nicht in Sicht. Afrikanische Länder gelten als risikoreiche Ziele für private Finanzierungen. Daher wird solchen Ländern der Zugang zu „preiswerten“ Finanzierungsformen auf dem Kapitalmarkt erschwert. Es steht außer Frage, dass die Länder klarere Richtlinien entwickeln und ihre öffentlichen Institutionen stärken müssen. Eine ebenso wichtige Herausforderung besteht aber auch darin, die derzeitige institutionelle Struktur an die besonderen Hürden anzupassen, mit denen afrikanische Länder konfrontiert sind. Ohne Möglichkeiten zur Überbrückung dieser Kluft werden die Länder wahrscheinlich Entscheidungen treffen, die sie letztlich wieder auf kohlenstoffintensive Pfade zwingen.

Eine Reihe von afrikanischen Ländern hat beispielsweise vor Kurzem große Reserven an fossilen Brennstoffen entdeckt. Sie dazu zu zwingen, diese Ressourcen unter der Erde zu lassen, ohne Anreize für eine kohlenstoffarme Entwicklung zu schaffen, kann keine Lösung sein. Für viele Länder, in denen einige der ärmsten und schwächsten Bevölkerungsgruppen Afrikas leben, ist die unbequeme Wahrheit in Bezug auf Gerechtigkeit Realität. Wenn Länder darum kämpfen, den Energiezugang im eigenen Land zu gewährleisten, und die Möglichkeit haben, durch die Ausbeutung ihrer fossilen Reserven Einnahmen zu erzielen, ist das Argument „gestrandeter Vermögenswerte“ offen gesagt nicht stichhaltig. Es müssen mehr Anstrengungen unternommen werden, um sicherzustellen, dass afrikanische Länder nicht benachteiligt werden, da die Regeln für das Investitionsrisiko und ihr höheres „Kreditrisiko-Rating“ die Ungleichheiten beim Zugang zur Klimafinanzierung zementieren.

Was schließlich die NDCs betrifft, so wurden die Länder im Glasgower Klimapakt aufgefordert, ihre NDCs bis zur nächsten COP in Ägypten zu überarbeiten und zu verstärken, „um sie an das Temperaturziel des Pariser Abkommens anzupassen“. Allerdings können die afrikanischen Länder (mit Ausnahme Südafrikas) an ihren NDCs wenig ändern, um das 1,5 °C-Ziel zu erreichen, da ihre Emissionen den Temperaturzielen nicht einmal annähernd entgegenlaufen. Außerdem gibt es im Rahmen des COP-Prozesses keinen formellen Durchsetzungsmechanismus für Länder, die ihre Ziele verfehlen. Die afrikanischen Staaten müssen sich jedoch vor Augen halten, dass die Temperaturziele für die Lebensgrundlagen ihrer Bürger*innen von Bedeutung sind, und sollten daher weniger ehrgeizige NDCs von Industrieländern, die hohe CO2-Emissionen ausstoßen, hinterfragen. Die massive und anhaltende Überbeanspruchung des globalen Kohlenstoffbudgets hat direkte Auswirkungen auf die immer weiter fortschreitende Verarmung der Menschen in Afrika.

In den kommenden Monaten sind afrikanische Interessengruppen und andere Akteure gefragt, diese strukturellen Ungleichheiten im Rahmen einer langfristigen und intelligenten Kampagne anzuprangern und die verantwortlichen Länder dazu zu bewegen, ihre NDCs nicht nur kosmetisch zu aktualisieren. Dessen ungeachtet müssen die Industrieländer für die COP27 in Ägypten eine Bereitschaft mitbringen, ihre Finanzierungszusagen zu erhöhen und konstruktive Lösungen für Schäden und Verluste vorzubringen. Schließlich sind es ihre historischen Emissionen, die Maßnahmen gegen Verluste und Schäden überhaupt erst erforderlich machen.

Zwischen den nicht nachhaltigen Lebensstilen im Norden als Hauptverursachern des Klimawandels und den durch den Klimawandel verursachten nicht nachhaltigen Existenzgrundlagen im Süden bestehen reale Zusammenhänge, die es anzugehen gilt, wenn wir den heutigen und künftigen Generationen eine Perspektive bieten wollen.

Über die Autorin

Yacob Mulugetta ist Professor für Energie- und Entwicklungspolitik am University College London und Fellow der Afrikanischen Akademie der Wissenschaften (AAS). Er ist Gründungsmitglied des African Climate Policy Centre (ACPC) bei der UN-Wirtschaftskommission für Afrika (UNECA) mit Sitz in Äthiopien. Er verfügt über 25 Jahre Erfahrung in Forschung, Lehre und Beratung zu den Zusammenhängen zwischen der Bereitstellung von Energieinfrastruktur und dem menschlichen Gemeinwohl.

APRI als Institution äußert sich nicht zu politischen Fragen. Die in den Veröffentlichungen zum Ausdruck gebrachten Ansichten sind die der Autor*innen und spiegeln nicht unbedingt die Ansichten von APRI, seiner Mitarbeitenden oder seines Vorstands wider.

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