Diese Publikation ist eine von zwei Publikationen, die in Zusammenarbeit mit der Heinrich Böll Foundation, Washington, D.C. veröffentlicht wurden. Die andere Veröffentlichung, ein Bericht, trägt den Titel "Bekämpfung des Klimawandels und Förderung eines grünen Wandels im Rahmen der afrikanischen kontinentalen Freihandelszone" und ist hier abrufbar.
Mit dem Inkrafttreten des geschichtsträchtigen afrikanischen Freihandelsabkommens AfCFTA (African Continental Free Trade Agreement) im Januar 2021 wurden die Grundlagen für ein prognostiziertes innerafrikanisches Handelswachstum um 33 Prozent gelegt, womit etwa 30 Millionen Menschen bis 2035 aus der extremen Armut herausgeholt werden sollen. Schätzungen zufolge soll sich das Produktionsvolumen auf dem Kontinent bis zum Jahr 2025 von 500 Milliarden auf 1 Billion US-Dollar verdoppeln, während der innerafrikanische Handel mit landwirtschaftlichen Produkten um 20 bis 30 Prozent anziehen soll. Im Bestreben, die neuen Handelsmöglichkeiten zu nutzen, wird das steigende Produktionsvolumen voraussichtlich auch zu mehr Treibhausgasemissionen führen. Doch kann diese Entwicklung auch entscheidend dazu beitragen, dass afrikanische Volkswirtschaften den Übergang zu grünem Wachstum meistern sowie Maßnahmen zur Eindämmung und Anpassung an den Klimawandel ergreifen.
Ein vor Kurzem mit Unterstützung der Heinrich-Böll-Stiftung veröffentlichtes Papier von APRI mit dem Titel „Tackling Climate Change and Propelling a Green Transition under the AfCFTA“ (dt. etwa: „Der Kampf gegen den Klimawandel und die Förderung der Energiewende im Rahmen des AfCFTA“) nimmt den aktuellen Diskurs zu Klimawandel und AfCFTA sowohl global als auch in Afrika unter die Lupe und beleuchtet, welche Chancen und Herausforderungen im Rahmen des Abkommens für Maßnahmen gegen den Klimawandel bestehen.
Zu den zentralen Erkenntnissen gehören folgende Punkte:
- Das AfCFTA verweist nur an wenigen Stellen auf Umweltthemen. Es können jedoch Anpassungen vorgenommen werden, die dem Modell der aktuell ins Stocken geratenen Verhandlungen zum Abkommen über Umweltgüter (Environmental Goods Agreement, EGA) der Welthandelsorganisation WTO folgen und eine ökologische Ausrichtung sowie Maßnahmen gegen den Klimawandel einbinden. Auf diese Weise ließen sich tarifäre und nicht-tarifäre Handelshemmnisse sowie andere Einschränkungen des Handels mit Umweltgütern und -diensten aus dem Weg räumen. Zu den positiven Effekten eines solchen Vorhabens gehört die Entwicklung grüner Wertschöpfungsketten für Umweltgüter und -dienste in Afrika. Das würde dem Trend entgegenwirken, dass es aufgrund der Handelsliberalisierung wenig oder keine Anreize dafür gibt, grüne Industrien aufzubauen, die alle der bis zu 304 Produktlinien abdecken, die in den zehn im EGA identifizierten Sektoren vorkommen.
- Da das AfCFTA – gemäß den Zielen des Pariser Abkommens sowie der nationalen und kontinentalen Klimaziele – Teil eines übergreifenden Übergangsplans für eine grüne Wirtschaft in Afrika ist, kommt der Dekarbonisierung im Energiesektor sowie in handelsbezogenen Bereichen wie dem Transportsektor eine entscheidende Rolle bei der Umsetzung einer Energiewende im Rahmen des Abkommens zu. In Ländern wie Algerien, Angola, Äquatorialguinea, Mosambik, Nigeria, Südafrika und Simbabwe, die von fossilen Brennstoffen abhängig sind, sei es als Exporterlöse oder zur Deckung der Energienachfrage im Inland, werden politische Entscheidungsträger*innen einen stufenweisen, sich über Jahrzehnte erstreckenden Ansatz erarbeiten müssen, um die Energiewende hin zu Netto-Null-Emissionen und einer dekarbonisierten Wirtschaft zu meistern. Die erfolgreiche Umsetzung dieser Energiewende wird zudem davon abhängen, Partner aus der Entwicklungszusammenarbeit zu finden, die technische und finanzielle Unterstützung über das bisher bereitgestellte Maß hinaus leisten.
- Obwohl die Aufnahme von Bestimmungen in die AfCFTA-Rahmenvereinbarung, die die strategische Verknüpfung zwischen Handel und Umweltschutz betonen, einen gewissen Zweck erfüllen könnte, gibt es doch zwei Gründe, weshalb eine solche Herangehensweise nicht optimal wäre.. Erstens haben frühere Erfahrungen bei der Umsetzung von Handelsabkommen ohne rigorosen Durchsetzungsmechanismus gezeigt, dass die Aufnahme eines zusätzlichen Umweltprotokolls zum AfCFTA-Abkommen nur geringfügigen Wert hätte. Zweitens gibt es in Afrika auf multilateraler, kontinentaler und regionaler Ebene bereits zahlreiche Abkommen, Verpflichtungen und Initiativen, die sich umfassend mit umweltbezogener Nachhaltigkeit und Klimafragen beschäftigen. Damit gäbe es mit der Aufnahme detaillierter Klimabestimmungen in das AfCFTA-Regelwerk bestimmte Überschneidungen mit der Africa Climate Change Strategy (dt. etwa: Afrikanische Klimawandelstrategie), Afrikas Green Recovery Action Plan (2021–2027) (dt. etwa: Grüner Wiederaufbauplan) sowie zahlreichen weiteren regionalen Klimastrategien, zu deren Umsetzung sich afrikanische Regierungen an anderer Stelle verpflichtet haben. Eine mögliche Lösung bestünde darin, die Umsetzung dieser bestehenden Klimainitiativen sowie zu ökologische Nachhaltigkeit verstärkt zu fördern, während gleichzeitig Maßnahmen zur Konsolidierung, Eingliederung und Synchronisierung bestehender Bemühungen im Rahmen des AfCFTA unterstützt werden. So könnte eine strategische Umweltevaluierung (Strategic Environmental Assessment, SEA) des AfCFTA klären helfen, wie Umweltaspekte nichtsdestotrotz effektiv Eingang in die Implementierung des Abkommens finden.
Auf Grundlage dieser Analyse und Erkenntnisse werden in dem Papier folgende Empfehlungen dazu ausgesprochen, wie afrikanische Regierungen, afrikanische Interessengruppen sowie Partner aus der Entwicklungszusammenarbeit sicherstellen können, dass das AfCFTA die Energiewende auf dem Kontinent vorantreibt.
Empfehlungen an die EU, die USA und andere Partner aus der Entwicklungszusammenarbeit
- Die Klimafinanzierung und die Bereitstellung klimafreundlicher Technologien sollten deutlich verstärkt werden, damit afrikanische Länder das AfCFTA zur Erfüllung ihrer Klimaziele nutzen können. Der Zugang zur Klimafinanzierung sollte erleichtert werden, wobei der Anteil an Zuschüssen und vergünstigten Darlehen größer ausfallen sollte. Für einen gerechten Übergang und eine erfolgreiche Dekarbonisierung des Energiesektors sowie von handelsbezogenen Bereichen wie dem Transportsektor sind sowohl technische als auch finanzielle Unterstützung vonnöten, die über das aktuelle Maß hinausgehen. Neben der finanziellen Unterstützung sind Partner aus der Entwicklungszusammenarbeit aufgerufen, gemeinsam mit afrikanischen Ländern Innovationszentren einzurichten sowie öffentliche und private Partnerschaften mit afrikanischen Unternehmen zu ermöglichen. Im Fokus dieser Partnerschaften sollten grüne Wertschöpfungsketten, ein geeignetes Beschaffungswesen für zentrale Rohstoffe für Umweltgüter sowie die gemeinsame Entwicklung von Technologien zwischen den verschiedenen Umweltindustrien stehen.
- Initiativen wie der Europäische Grüne Deal sollten an das AfCFTA und die afrikanischen Realitäten angepasst werden. Das AfCFTA kann als Schnittstelle für eine Zusammenarbeit mit politischen Entscheidungsträger*innen in Afrika dienen. Ziel einer solchen Zusammenarbeit sollte eine gezielte und verstärkte Unterstützung bei der Entwicklung exportfähiger grüner Wertschöpfungsketten, einer klimaangepassten Landwirtschaft, umweltgerechter Produktionskapazitäten und Dienstleistungen im Energie- und Transportsektor sowie in anderen Bereichen sein, die für die Energiewende und Dekarbonisierung in Afrika von essenzieller Bedeutung sind. Zu diesem Zweck könnten Partnerschaften mit afrikanischen Unternehmen entstehen und entsprechende Technologien übertragen werden. Diese Maßnahmen sowie Fachexpertise bei der Entwicklung klimaangepasster nationaler Handelsrichtlinien können dazu dienen, Maßnahmen zur Klimaanpassung, für grünes Wachstum, eine verbesserte Resilienz und einen Übergang zu einer grünen Wirtschaft aufeinander abzustimmen. Darüber hinaus sollten afrikanische Entwicklungsanforderungen Berücksichtigung finden, wenn es darum geht, Entscheidungen über Umweltstandards zu treffen, denen afrikanische Güter genügen sollen. Die EU könnte während der Zeit der Energiewende afrikanischen Exportgütern und Industrien eine Sonderbehandlung zukommen lassen. So könnten afrikanische Hersteller ermutigt werden, komplementäre Handelswerkzeuge wie etwa freiwillige Nachhaltigkeitsstandards zu übernehmen, während Partner aus der Entwicklungszusammenarbeit entsprechende fachliche Kapazitäten bereitstellen und die Kosten reduzieren, die mit der Einhaltung strengerer Kriterien einhergehen.
- Afrikanische Initiativen für eine Kreislaufwirtschaft, etwa die African Circular Economy Alliance (dt. etwa: Afrikanische Allianz für die Kreislaufwirtschaft), sollten Unterstützung erfahren. Diese Maßnahme ist leicht umzusetzen und wird dafür sorgen, dass das Recycling von Materialien zu einer alltäglichen Praxis wird und die Ressourcennutzung durchgehend nachhaltig gestaltet ist. Es besteht ein klarer Zusammenhang zwischen Kreislaufwirtschaft und klimabedingter Migration, da erstere es ermöglicht, Ressourcen einzusparen, weniger Material einzusetzen und sowohl den Konsum als auch die Treibhausgasemissionen zu senken. Partner aus der Entwicklungszusammenarbeit sollten die Wiedereingliederung recycelter Inputs in afrikanische Produktionsprozesse fachlich begleiten, im Sinne einer Verringerung von Abfällen und der Umweltbelastung, für verstärkte Reparatur- und Sanierungsmaßnahmen sowie für Wiederaufbereitungs- und Recyclingprozesse.
Empfehlungen für politische Entscheidungsträger*innen in Afrika
- Es ist wichtig anzuerkennen, dass es nur einen begrenzten „Zeithorizont“ dafür gibt, afrikanische Länder konventionell auf Grundlage fossiler Brennstoffe zu industrialisieren. Zudem gilt, dass obgleich der für eine Industrialisierung erforderliche Energiebedarf weiter mit traditionellen Energiequellen zu decken sein wird, Technologien entwickelt und implementiert werden müssen, die für eine grüne industrielle Revolution vonnöten sind. Dieses Thema gehört bei Verhandlungen mit reichen Ländern auf die Agenda.
- Es ist erforderlich zu klären, welche politische Rahmensetzung für eine erfolgreiche Energiewende im Rahmen des AfCFTA vonnöten ist. Dazu gehört es auch, existierende kontinentale und regionale Initiativen bestmöglich nutzbar zu machen: den Green Recovery Action Plan der Afrikanischen Union ebenso wie Initiativen in Zusammenarbeit mit Partnern aus der Entwicklungszusammenarbeit wie die Comprehensive Africa Climate Change Initiative (CACCI).
- Es braucht politische Entscheidungen, die dazu führen, dass handelsbezogene Sektoren wie Energie und Transport umweltverträglicher werden, aber auch Richtlinien, die gewährleisten, dass sich nachhaltige Anbaupraktiken für Landwirt*innen rechnen. Politische Entscheidungsträger*innen sollten zudem die Bedeutung anerkennen, die dem Handel mit Dienstleistungen als wichtigen Treiber der Energiewende zukommt. Darüber hinaus gilt es, den Teilsektor der Umweltdienstleistungen auf eine Weise zu fördern, die die Teilhabe der lokalen Bevölkerung sicherstellt.
Schlussfolgerung
Das AfCFTA-Abkommen wird den innerafrikanischen Handel voraussichtlich beflügeln und so dem ganzen Kontinent zu einem Wirtschaftsaufschwung verhelfen. Allerdings könnte es sich auch als zweischneidiges Schwert erweisen, das zu Umweltschäden und einer Beschleunigung des Klimawandels führt, sollte es kein ernsthaftes Bemühen geben, die erneuerbaren Energien immer stärker zum Motor des Wirtschaftsbooms werden zu lassen und die Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen nach und nach abzubauen. Es gibt durchaus Möglichkeiten dafür zu sorgen, dass das AfCFTA sich positiv auf Klimamaßnahmen und die ökologische Nachhaltigkeit Afrikas auswirkt. Gemeinsam mit ihren Partnern aus der Entwicklungszusammenarbeit sollten sich afrikanische Politiker*innen daran machen, diese Möglichkeiten beim Schopfe zu packen – zum Wohle der Menschen in Afrika und weltweit.
Über die Autorin
Calvin Manduna ist Berater für internationales Handelsrecht, Partner bei ACP International Trade Advisers mit Sitz in Washington, DC, sowie ehemaliger leitender Handelsexperte bei der Afrikanischen Entwicklungsbank.
Taku Fundira ist Berater für Marktfragen, mit einem Fokus auf internationalen Handel, Landwirtschaft, Energie und Entwicklungsfinanzierung. Er ist Mitbegründer der South African Trade Reference Group und Mitglied des Trade Law Centre (tralac) mit Sitz in Südafrika.